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Foto_Akici

Atilla Akici

*1961
Torjäger des Türkischen Sport Vereins Düren 1969 e. V.

Atilla Akici schoss den Türkischen Sport Verein Düren in den ausgehenden 1970er- bis in die 1980er-Jahre zu diversen Titeln. Der älteste ethnische Fußballverein in NRW bereichert die lokale Sportlandschaft noch heute.

Kurzbiografie

  • 1961 geboren in Konya (Türkei)
  • 1976-1980 Besuch des Berufskollegs für Technik in Düren
  • 1976-1991 (mit 1,5 Jahren Unterbrechung) Türkischer Sport Verein Düren 1969 e. V.
  • 1977-1980er Boxring Düren 1955 e. V.
  • TuS 1908 Langerwehe e. V.
  • Mehrfacher Atatürk-Pokal NRW-Gebietssieger
  • Seit 1983 Betätigung als Taxifahrer

Atilla Akici über …

(Fußball-) Erfahrungen in Düren und Langerwehe

„Mein Vater war ja schon viele Jahre in Deutschland, ich bin der älteste Sohn in der Familie. Ich war schon 16 und die anderen waren noch klein.
Und Papa war nicht ohne, er hatte hier eine Freundin gehabt, er war hier glücklich, wie jeder andere auch. Irgendwann hat er sich entschieden, uns zu holen. Das war am 16. August 1976, da sind wir losgefahren, mit dem Auto nach Deutschland, direkt nach Düren. Ich bin seitdem Dürener.
Vater ist gefahren, er hat ja als einziger einen Führerschein gehabt. Er ist in einem 190er Mercedes gefahren und anderthalb Tage später waren wir in Düren.

Mit 16 habe ich den Türkischen SV kennengelernt. Die Eltern hatten Kontakte zu dem Verein und es wurde ihnen gesagt, dass sie ihren Jungen bringen und nicht weggeben sollen. Da spielt ja Nationalität und das Blut wieder eine Rolle und da hört man auf die Älteren.
Ich bin reingekommen und da haben sie mir einen gefälschten Pass gemacht. In meinem Sportpass bin ich noch drei Jahre älter. Ich war 16, aber die haben mein Alter auf 19 und einen illegalen Pass gemacht.
Mit 16 habe ich angefangen eindrucksvoll zu spielen.
Wir haben von der Kreisklasse C bis zur Bezirksliga gespielt und sind auch paar Mal Meister geworden. 1980 bin ich zum TuS Langerwehe. Die haben eine Mannschaft in der Bezirksliga und die erste Mannschaft in der Oberliga.
Ich habe da keine zwei Jahre gespielt, denn der Trainer war, ich weiß nicht, ob ich das sagen darf, aber das war halt ein Nazi, er mochte die Ausländer nicht. Ich war ja der Torjäger, da hat er wörtlich meinen Kollegen gesagt: ‚Gib ihm keinen Ball mehr ab.‘ Das haben alle gehört. Da war ich so beleidigt. Ich war ja sehr gut, ich war ja Torschütze. Da habe ich gesagt: ‚Die Tore, die ich mache, die nehme ich ja nicht mit nach Hause. Die mache ich für den Verein.‘
Ich war so beleidigt. Ich habe meine Sachen gepackt und wollte weg. Aber dann kamen die Sponsoren an, im Porsche und Mercedes kamen die angefahren und haben gesagt: ‚Setz dich mal hin, was ist den hier los?‘ Ich habe gesagt: ‚Der hat so geredet, bei diesem Verein ist für mich Schluss.‘“

… seine erste Rote Karte

„Wir hatten einen Spieler, der Murteza, der Trainer hatte aus ihm einen Libero gemacht. Er hat den getreten und geschlagen, wenn er Fehler gemacht hat, aber am Ende, hat er aus ihm einen Bombenmann gemacht. Er könnte locker Bundesliga spielen.
Und der Elias, der konnte locker in der zweiten Liga spielen. Er hatte ja in der Türkei in der ersten Liga gespielt. Er hatte nur ein scheiß Mundwerk, die Füße liefen sehr gut, aber Mund das gleiche, das geht nicht.
Ich habe in meinem Leben durch ihn meine erste Rote Karte gekriegt.
Er hat eine Rote Karte gekriegt. Als Spielführer bin ich zum Schiri und habe gefragt: ‚Ist es normal wegen Motzerei eine Rote Karte zu geben?‘
Da hat er mir auch eine Rote Karte gegeben, da habe ich rotgesehen, dann habe ich ihm eine geklatscht. In meiner Karriere war es die erste Rote Karte. Da war direkt zwei Jahre Sperre.
Die haben gesagt, ich hätte den Schiri geschlagen. Ich bin hingegangen und habe gefragt: ‚Ist das normal wegen Meckerei, Rote Karte?‘ Da dreht er sich rum und knallt mir so die Rote Karte ins Gesicht.

Die Jungs in der Kabine, das war im Hürtgenwald, wir kannten uns ja alle, auch wenn wir Gegner sind, wir waren auch gleichzeitig Freunde, wir leben hier in einem Gebiet. Die Jungs haben auch gesagt: ‚Jungs passt auf. Spielt ganz locker, ich habe mit den Türken was zum Abrechnen.‘ Wir haben festgestellt, seine Frau ist mit einem Türken laufen gegangen. Deswegen hat er Wut auf uns. Er hat Rote Karten verteilt wie Butterbrote.
Alle waren wütend, aber was sollten wir machen?
Das war in meiner Zeit nach Langerwehe, das war so 1986, 1987. Ich habe ja bei den Türken wieder gespielt, weil sie bei meinem Vater so Druck gemacht haben, ich solle wieder zurückkommen. Die haben alle Druck gemacht. Im Café habe sie gefragt: ‚Warum kommst du nicht? Bist du Landesverräter?‘ Die sprachen aktiv so, damit ich zurückkomme. Und dann bin ich zurückgekommen und habe da gespielt, bis ich Fußballrentner war, das war mit 30 Jahren.“

… die Fußballlandschaft in Düren

„Die Spieler beim SV waren nicht alle reinrassig Türkisch, so war das ja auch nicht gedacht. Die haben das gegründet, ich habe das gelesen und mir ein Stückchen notiert. Die haben das gegründet mit elf Mann und elf Mann waren gleichzeitig Spieler. Die haben noch nicht mal Ersatzspieler gehabt. Die haben das erst mal gemacht, um Sport zu betreiben. Das waren ja alles sportliche Typen, die gekommen waren. Das war die erste Generation, die nach Deutschland gekommen war. 1967 haben die den Verein gegründet, aber die haben den erst 1969 legal angemeldet. Die haben ja ganz normal in der Liga gespielt.
Wie ich das damals gehört habe, hat man gedacht, dass das Sporttreiben Menschen hilft, um von ihren schlechten Seiten wegzukommen.
Das sagt man ja heute noch. Egal welcher Sport es ist, die Kinder sollen üben, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. So werden bei uns zumeist die Kinder erzogen.
Dann haben ich zwei Jahre später die A-Jugend gemacht, das war eine Bombenmannschaft, dann haben wir C- und D-Jugend gemacht. Dort war ich schon gut organisiert, also eine Zeit lang. Als ich mich zurückgezogen habe, kamen Leute, die sage ich mal, in ihrem Leben nie bekannt geworden sind und die jetzt mal etwas Ruhm ernten wollten. Das war aber nur Kacke. Das ist ja normal, wenn du keine Ahnung hast.
Jetzt haben wir nur zwei Mannschaften, die eine spielt in der Bezirksliga und kann aufsteigen oder auch nicht, mal gucken.
Ein Vereinsheim oder eine Umkleide, so was hatten die Gründer noch nicht. Die haben sich um die Ecke umgezogen und angezogen. Die haben noch nicht mal Duschen gehabt. Die sind alle ohne zu duschen nach Hause gegangen.
Wir waren erst in Birkesdorf auf dem Ascheplatz. Das war ein Grundstück, halb Grün, halb Braun. Es war auch uneben. Aber ich danke den Leuten, die uns den Platz gegeben haben. Da hatten wir dann Umkleiden und Duschen für nach dem Spiel. Da waren wir schon dankbar. Und später sind wir dann zur Malteserstraße nach Düren. Das war dann ein gepflegter Ascheplatz, den pflegen wir auch viel. Das ist ja nicht unser Eigentum, aber den Platz haben wir schon sehr lange.

Der griechische Verein, den es früher gab, der hat sich aber sehr schnell aufgelöst. Dann gab es auch noch Bella Italia, die haben sich auch nicht lange gehalten. Warum? Kein Nachwuchs. Der einzige Verein, der sich schon lange hält, das ist der Türkische SV.

Was die Unterstützung durch die Stadt angeht, sind wir schon dankbar, dass wir einen Platz zur Verfügung bekommen haben und eine Umkleide hatten, die wir jeder Zeit benutzen konnten. Finanziell gab es keine Unterstützung.

Der FC Düren geht auch den Bach runter, die müssen jetzt zwangsabsteigen, da sie kein Geld für ein neues Stadion haben.“

… Auswärtsfahrten … und die Kasse klingelt

„Es war in der Hauptsache wichtig, dass die Leute sportlich waren. Für gute Leute stand immer die Tür auf, das war bei den Türken immer an erster Stelle und wurde auch so angegeben.

Das stand auch überall so: Bitte kommt rein, die Türen sind für jeden offen. Wer in dieser Liga spielen kann, kann ein Probetraining machen und war sofort bei uns. Wir haben auch aus der Tasche noch Leute bezahlt. Wir haben die von woanders kommen lassen und haben denen Taschengeld gegeben oder persönlich monatlich 100-200 €.
Ich habe da nicht durchblicken können, wie die das gemacht haben. Wir haben nach dem Sieg oder mit einem Pokal in allen Kneipen gespendet. Wir Spieler haben jeden Monat unsere Beiträge bezahlt, damit unsere Trikots gewaschen werden. Oder wir haben immer abwechselnd, jeder hat die eine Woche mitgenommen und zu Hause gewaschen, immer solche Sachen.
Wenn der Verein vernünftig geführt wäre, mit Disziplin und alles offen und schneeweiß, dann wäre der Verein heute in der Oberliga. Die Probleme waren ja alle finanziell.
Wir Spieler haben jeden Monat 50 Mark bezahlt, jahrelang.
Zu Auswärtsspielen sind wir immer mit Privatautos gefahren. Wir hatten ja genug verrücktes Publikum, was ‚fußballjeck‘ war. Egal, ob wir zu Hause gespielt haben oder auswärts, da waren immer 500-600 Leute.
Die deutschen Vereine, die gegen uns gespielt haben, dachten immer: Schön, jetzt kommen Türken. Das gibt guten Eintritt. Die haben viel Geld gemacht durch uns, denn unser Publikum hat uns nie alleingelassen. Ob Winter, Sommer immer waren, das Stadion oder der Sportplatz voll. 90 %, 95 % nur Türken. Da haben die deutschen Vereine sich gedacht: Jetzt müssen wir ein bisschen Geld machen. So war das damals.
Wir haben alles aus eigener Kraft gemacht. Da wurde man nicht vom Verband unterstützt, Geld gegeben, Klamotten oder was zu essen. Ich habe 18 Jahre gespielt. Ich habe einmal Fußballschuhe von der Mannschaft bekommen, weil ich arbeitslos geworden war. Das waren die Beckenbauer mit Nocken, die haben damals 110 Mark gekostet, das war viel Geld.“

… sein Selbstverständnis als Sportfan und Deutschtürke

„Ich bin ja Sportfan. Wenn ich die Möglichkeit habe ein Spiel zu sehen, egal welcher Mannschaft, dann mache ich das. Es muss nicht unbedingt Bayern München sein. Für mich ist das Spiel die Hauptsache. Wenn ich Zeit dafür habe, dann sage ich meinen Kollegen: ‚Komm, wir schauen uns das an.‘ Ich bin kein Fanatiker. Ich will ja nicht nur sagen: ‚Nein, ich gehe nur zu meiner Mannschaft. Nein, das ist es bei mir nicht. Ich gehe auch zu Dorfmannschaften zum Gucken, wenn es Zeit dafür gibt.
Wenn ich ein junges Talent sehe, dann macht es mir Spaß zu sehen, wir er den Ball mitnimmt und abgibt und so. Wir sind ja jetzt alt geworden. Was wir jetzt sehen, das macht uns Freunde, nicht das, was wir selber machen.
Als ich nach Deutschland kam, hatten wir noch Satellitenschüsseln, dieses Fernsehen, das hält die Muttersprache frisch. Das zeigt dir, wo du herkommst und was da alles so passiert. Das lernst du ja nur durch diese Sendungen. Jetzige Kinder, die wissen von der Türkei nichts. Die sind alles Deutsche. Ich sage, du musst die Muttersprache behalten. Sprache ist sehr wichtig, egal welche Sprache.
Sogar mein Sohn, der wohnt in Köln in der Nähe von Müngersdorf.  Er spricht mit mir zwei Wörter Türkisch und das dritte, das geht nicht, da lenkt er direkt auf Deutsch. Meine Enkelkinder sprechen nur Deutsch, sehr schlecht Türkisch. Das muss man normalerweise beibringen.

Deutscher Staatbürger bin ich nie geworden. Meine geschiedene Frau ist deutsch, meine Kinder haben alle deutsche Papiere. Mich hat das nicht gestört. Ich gehe zu meiner Arbeit. Ich bin nie illegal. Viele haben gesagt, es gibt Sicherheit in Deutschland. Aber wenn du in Deutschland nichts machst, wofür brauchst du Sicherheit? Geh arbeiten, bezahl deine Steuern, dann tut dir keiner was.
Ich habe das nie nötig gehabt, sagen wir mal so. Ich habe einen Sohn und eine Tochter. Meine Tochter und Schwiegersohn wollten in der Türkei leben. Ich habe gesagt: ‚Wozu wollt ihr in der Türkei leben. Seid ihr bekloppt?‘ Es hat nur 6 Monate gedauert, dann waren sie wieder hier. Es hat 100.000 gekostet. Die haben gelernt, dass es gar nicht geht. Ein in Deutschland lebender Türke kann nicht in der Türkei klarkommen.
Zurückzugehen geht nicht, es gibt nur Wandern, hin und her wandern. Anders geht es nicht mehr. In der Türkei habe ich ja fast gar keine Verwandten mehr. Meine Mutter ist tot, mein Vater ist tot. Es gibt noch die zwei Onkel und eine Tante, die noch in der Türkei leben. Wenn die auch tot sind, dann habe ich keine Verwandten mehr. Wofür soll ich denn in die Türkei auswandern?“

Fussballanfänge im Evangelischen Jugendheim

Deutsche Sprache, ‘Straßensprache’

Die Organisation des Türkischen SV Düren

Von Düren nach Langerwehe und zurück

Dürener Erfolge beim Atatürk Pokal


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: