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Kyriakos Chamalidis

*1934
Griechisch-orthodoxer Theologe mit über 50-jähriger Tätigkeit als Seelsorger und Tanzpädagoge

Kyriakos Chamalidis kommt in seinem Leben auf über 1000 Tanz- und mehr als 120 ausgerichtete Fachseminare. Ab den 1960er-Jahren prägte er auf vielfältige Weise das kulturelle Leben der griechischen Gastarbeiter im Kreis Düren.

Kurzbiografie

  • Geboren 1934 in Eleftherochori – Pella Griechenland
  • 1952-1956 Schul-Volleyballmannschaft in Thessaloniki
  • 1956-1960 Studium der Theologie an der Universität Thessaloniki – Abschluss Diplom Theologe
  • 1960-1962 Militärdienst in Griechenland
  • 1960er-Jahre Sozialarbeiter der griechen Arbeitnehmer im Kreis Düren
  • 1964-2020 Gründer und Mitglied der Volkstanzgruppe „EVZONE“
  • 1965 Gründung einer Griechischen Fußball- und Volleyballmannschaft
  • Seit 1967 Dozent bei diversen Volkshochschulen
  • Seit 1973 Vereidigter Dolmetscher beim Landgericht Aachen
  • 1980-1986 Familien-, Lebens- u. Eheberater beim Bistum Aachen

Kyriakos Chamalidis über …

… seinen Weg nach Düren

„Wir sind 1952 nach Thessaloniki umgezogen, damit wir die Universität in der Nähe haben. Meine Mutter ist aus der Türkei gekommen und war Analphabetin. In ihrem Dorf durfte sie weder die Kirche noch die Schule besuchen, es war verboten. So blieb meine Mutter Analphabetin. Mein Vater hatte die Möglichkeit, etwas zu lernen. Er konnte gerade lesen und schreiben, aber mehr nicht. Und meine Mutter hat gesagt: ‚Ich bin Analphabetin, aber ihr müsst studieren, egal wie.‘
Deswegen sind wir nach Thessaloniki umgezogen und ich habe dort Theologie studiert und meine Schwester hat Hebammenwesen studiert und absolviert. Und ich habe in der Schule oft Sport betrieben, sei es Fußball oder Volleyball. Ich spielte in der Gymnasialmannschaft. Meine Kinder haben in Düren Volleyball gespielt, in der erste Mannschaft, das war eine Tradition.
Und dann, nach dem Studium in Thessaloniki 1960, bin ich zum Militär gegangen. Ich habe zwei Jahre als Offizier gedient. Und danach war die Frage: Was mache ich? Die Theologen wurden nicht sofort eingestellt. Wir mussten fünf, sechs Jahre warten, bis wir eine Anstellung bekommen. Das war ein Problem. Aber da ich mit der Kirche sehr gute Beziehungen hatte, hat mir der Erzbischof von Thessaloniki ein Empfehlungsbrief gegeben. Da habe ich aufgrund dessen ein Stipendium bekommen von der katholischen Kirche in Bonn.
Am. 12. Februar 1962 bin ich nach Bonn gekommen, um weiter studieren zu können. Und das war sehr schön. In einem Studentenheim habe ich zunächst gründlich weiter studiert, Deutsch und Theologie. Und danach bin ich nach Bethel gekommen, da ist ja eine Fachhochschule für Theologie. Bethel bei Bielefeld. Und es gibt die berühmten sieben B von Bethel: Bethel bei Bielefeld bietet Barmherzigkeit bei Barzahlung. Aber das stimmt nicht. Das ist eher zum Lachen. Und da hat es mir sehr gut gefallen. Und zu der Zeit wollte ich promovieren.
Es fragte mich die evangelische Kirche. Irgendwo hat sie mich entdeckt, ob ich als Sozialarbeiter für die griechischen Gastarbeiter beruflich tätig sein wollte? Da habe ich nicht lange nachgedacht. Dann habe ich gesagt: ‚Der Mensch interessiert mich viel mehr als die Wissenschaft.‘ Da habe ich alles hingeschmissen und habe mich gemeldet. Da habe ich eine Fachausbildung gemacht, als Sozialarbeiter für griechische Gastarbeiter. Und dann kam ich direkt nach Düren am 1. März 1963. Und das war eine gute Entscheidung beruflich. Das war also im März 1963 und am 25. März 1964 ist unser großes Nationalfest, die Befreiung Griechenlands von den Türken 1821, da gibt es ein großes Fest. In der Zeit hatte ich eine Tanzgruppe mit Livemusik, mit Trachten, einen Chor gegründet und ein Theater angeboten. Da hatten wir etwa 500 Leute, Deutsche und Griechen. Der griechische Konsul aus Bonn kam nach Düren, der Oberbürgermeister, der Bischof, alle Honoratioren haben diesem Fest beigewohnt. So wurde ich bekannt. Und mit dieser Tanzgruppe habe ich zig Veranstaltungen mitgemacht.“zig

… Sportangebote für Griechen in Düren der 1960er-Jahre

„Ich als Sozialarbeiter wollte den Griechen Freizeitgestaltung anbieten, damit sie weniger Probleme haben hier in der Fremde. Und dann habe ich gedacht: Eine Tanzgruppe, ein Fußballverein, ein Chor, eine Volleyballmannschaft usw. Wir haben oft gegen die deutsche Mannschaft gespielt. Das war sehr schön. Und aus den Gründen habe ich gefragt: ‚Wer kann von euch Akkordeon spielen? Oder eine Lira?‘ Da waren unter den Gastarbeitern Leute, die ein Instrument spielten. Dann habe ich hier gefragt: ‚Kennt ihr jemanden, der tanzen macht?‘ ‚Ja, jede Menge.‘ Alle griechischen Männer und Frauen können tanzen. Die meisten können gut tanzen. Und dann habe ich die zusammengebracht. Wir haben gesprochen und dann habe ich ihnen gesagt, was ich vorhabe. Sie waren begeistert. Und plötzlich waren Sie in Berlin im Fernsehen. Plötzlich waren Sie in München, waren Sie in Stuttgart., überall Auftritte. Und da haben wir ruckzuck die Fußballmannschaft zusammengestellt. Eine Volleyballmannschaft und Tanzgruppe. Und das lief alles relativ leicht.
Wir hatten einen Fußballplatz von den Deutschen. Wir haben zwei Tage in der Woche gehabt. Und dann haben wir ein, zwei Stunden gespielt, also mehr hobbymäßig. Ja, und diese Mannschaft hat zehn Jahre existiert. Ich habe insgesamt zehn Jahre die Griechen betreut. Und danach habe ich gewechselt. Ich war Sozialarbeiter in einem Blindenheim in Düren. Da brauchte ich nicht so viel zu fahren. Und dann habe ich mich danach selbstständig gemacht mit den Tanzreisen nach Griechenland und Seminaren. Das war für mich sehr interessant, auch finanziell.
Meine drei Söhne haben überall auf der ganzen Welt studiert und da brauchten wir Geld. Und meine Frau hat nach dem dritten Sohn gesagt: ‚Kyriakos, ich höre auf und ich will mich meiner Familie widmen, damit die Kinder jemand zu Hause haben.‘ Obwohl meine Frau das gleiche Studium gemacht hat wie ich. Wir haben uns auf der Uni kennengelernt und dann später geheiratet. Und meine Frau war Sozialarbeiterin in Aachen, für die griechischen Gastarbeiter dort. Und nach dem dritten Sohn hat sie aufgehört. Und da musste ich etwas mehr verdienen, damit wir das Geld haben. Und so habe ich mit den Tanzseminaren, Trauerseminare und Tanzreisen gutes Geld verdienen, sodass die Kinder ohne Probleme weiterstudieren konnten.“

… Griechischen Tanz als Lebenselixier

„Das Interesse kam zunächst von Gemeinden, katholische Gemeindebildungshäuser, evangelische Gemeinden und Privatleute. Die haben gehört, dass hier eine Tanzgruppe ist. Die haben mich gefragt: ‚Was ist denn der Griechische Tanz? Erzählen Sie uns, Was machen Sie da?‘ Und dann habe ich Ihnen erzählt. Dann habe ich ihnen gesagt, dass ich nicht nur Tanz mache, sondern auch griechische Religion und Kultur. Warum die alten Griechen tanzen und welchen Lebenswert der Tanz damals und heute hat. Und da waren sie plötzlich wach und haben gesagt: ‚Das wollen wir ausprobieren.‘ Und da hatten wir ein Angebot gemacht. Da waren am Anfang 15 Leute und beim zweiten Mal waren 25 da und dann war es immer voll.
Also wirklich, es war ein großartiger Anfang, dass sich bestätigt hat, dass der griechische Tanz die Deutschen begeistern kann. Es ist ein Unterschied. Der griechische Tanz ist lebendig, es ist Poesie, es ist Musik, es ist vieles und weckt das Interesse für das Leben. Ich habe in diesem Buch auch geschrieben: Wir Griechen haben den Tanz als Lebenselixier.
Damit haben wir das Leben bejaht und das Leben genossen. Griechenland war 400 Jahre unter türkischer Herrschaft, 1453 bis 1821 in diesen 400 Jahren hat der Tanz die Griechen in einem Tanzkreis festgehalten und so wussten sie, wer sie sind. Und da hat der griechische Tanz einen wesentlichen Beitrag gehabt, dass die Griechen ihre Traditionen, ihre Religion und ihre Abstammung nicht vergessen haben. Und nach 400 Jahren haben sie diesen Befreiungskampf ausgesprochen und da haben sie gesagt: ‚Freiheit oder Tod‘. Und da haben sie wirklich nach fünf Jahren den Peloponnes befreit, nach zehn Jahren Attika, nach 30 Jahren mittel Griechenland und Thessaloniki wurde 1912 befreit. Dieser Befreiungskrieg hat 100 Jahre gedauert. Erst 1923 haben Griechenland und die Türken ein Abkommen beschlossen und die heutigen Grenzen von Griechenland festgelegt. Bis dann hatten wir diesen Krieg und der Tanz war immer eine großartige Hilfe für die Griechen.

Der griechische Tanz ist wirklich ein Lebenskatalysator. Es ist ein Halbkreis, kein geschlossener Kreis mit der Symbolik: Der Kreis ist offen, es ist nicht geschlossen. Jeder darf sich anschließen. Wenn der Kreis geschlossen ist, dann ist es auch ein Symbol für Vollkommenheit. Und wir sind noch nicht vollkommen. Und dann die Handhaltung, die rechte Hand nimmt und die Linke gibt weiter. Es sind Symbole drin. Und dann in der Musik: Der 7/8 Takt ist zum Bespiel: Lang, kurz, kurz, lang, kurz, kurz. Bei lang geht man ein bisschen runter rauf und so wie das Leben, so wie die Natur rauf und runter. Die Gegensätze sind in dem Tanz, wenn man das den Deutschen erklärt, dann sind sie plötzlich wach und sagen: ‚Wie schön, das ist von der Natur uns gegeben, dass wir auch Verluste und Trauer erleben und Freude.‘ Und das ist das Geheimnis des Tanzes. Und es gibt 1000 Tänzen, ohne zu übertreiben, es sind Minimum 1000 Tänze. Es gibt für jede Lebenssituation einen Tanz: Trauer, Hochzeit, Heimatlieder und Tänze für die Fremden. Jede Menge, jede Menge. Und die unterrichte ich auch. Und dann finden plötzlich die Deutschen: Sport. Poesie, Musik und Heilung. Und diese Elemente findet man selten in einer Sportart.“

… das Trikot von Beckenbauer

„1975 war ein Vorentscheidungsspiel zwischen der griechischen und der deutschen Nationalmannschaft. Und ich hatte gute Beziehungen zum Konsulat. Und das Konsulat, wurde nach einem Dolmetscher gefragt und das Konsulat hatte meinen Namen. Und dann hat der DFB mich angerufen und hat mich mit einem großen Mercedes abgeholt und nach Düsseldorf gebracht und ich kam zum Flughafen und habe die Mannschaft empfangen. Als ich im Bus saß, habe ich die Mannschaft willkommen geheißen. Und dann fragte der Mannschaftskapitän vom letzten Platz: ‚Bist du ein Pontia?‘ Ich sagte: ‚Ja.‘ ‚Dann darfst du bleiben. Wir wollen dich die ganze Zeit haben.‘
Da habe ich mit ihm Freundschaft geschlossen. Wir Griechen sind schnell per Du und schnell Freunde. Auch wenn das oberflächlich ist, das geht relativ schnell.
Ich habe einmal an einer deutschen Gesellschaft mit meiner Frau teilgenommen. Da war ein Professor, da waren dies und jenes, Wirtschaftsleute, reiche Leute und da sprachen wir von Du und Sie und da war auch ein katholischer Priester. Und da habe ich gesagt: ‚Wir Griechen lieben das “Du” mehr, als das “Sie”.‘ Und dann sagte ein Direktor von einer großen Firma: ‚Ja, aber man kann zu einem eher du Esel sagen, als Sie Esel.‘ Und da stand der katholische Priester auf und sagte: ‚Ich muss Herrn Chamalidis Recht geben. Wir Deutsche würden am besten morgens aufstehen, zum Badezimmer gehen und in den Spiegel sehen und sagen, guten Morgen Herr Schmitz, haben Sie gut geschlafen?‘ Das vergesse ich nie.
Und dann haben wir mit dem Mannschaftskapitän, einem sehr guten Fußballspieler, Freundschaft beschlossen. Und dann habe ich ihn gefragt, ob er mir das Trikot vom Beckenbauer besorgen könnte. Und nach dem Spiel in Düsseldorf brachte er mir eine Kaufhofplastiktüte und sagte: ‚Hier hast du die Nummer fünf.‘ Die habe ich heute noch. Die Nummer fünf von Beckenbauer. Und dann habe ich Beckenbauer interviewt und habe ich ihn gefragt auf Wunsch von meinem Bekannten Mimis Papaioannou, der lebte in Athen und da habe ich ihm gesagt.  Herr Papaioannou wollte sie einladen. Bald wird er aufhören zu spielen und er wollte Sie gerne zu seinem Abschiedsspiel einladen.
‚Ja.‘ sagte Beckenbauer, ‚ich würde gerne. Ich schätze den Kollegen. Wenn ich kann, werde ich kommen.‘ Aber er ist nicht gekommen. Er sagte: ‚Ich weiß nicht, ob ich Erlaubnis bekomme von meinem Verein.‘ Das war in einem Hotel. Nach dem Spiel haben wir uns dort gesammelt, die beiden Mannschaften. Dann haben wir gegessen und erklärt und dann habe ich übersetzt und so weiter.“

Ausbildung zum Sozialarbeiter

Tanzseminare zwischen Beruf und Berufung

Griechen und Türken in Deutschland

Griechischer Volkstanz als Steckenpferd

Urlaub mit Kyriakos


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: