Christa Kleinhans
* 1937
„Verbotene“ Fußballnationalspielerin von Fortuna Dortmund
In der Prohibitionsphase des bundesdeutschen Frauenfußballs (1955-1970) stürmte Christa Kleinhans unverdrossen am rechten Flügel der Dortmunder Fortuna. Auch als Nationalspielerin der Deutschen Damen-Fußballvereinigung brillierte die spätere Handballtorhüterin der UTG Witten.
Kurzbiografie
- Geboren 1937 in Dortmund
- 1950er-Jahre Westdeutsche Meisterin mit der 4x100m-Staffel des OSV Hörde
- 1954-1955 Spielerin bei Grün-Weiß Dortmund
- 1955-1965 Spielerin bei Fortuna Dortmund
- 1955 Abschluss der Realschule
- 1955-1994 Angestellte der Deutschen Post
- 1961 Verbeamtung
- 1957 erstes ihrer 150 Länderspiele in München
- Nach ihrer Karriere als Fußballerin Wechsel zum Handball, Bundesligaspiele als Torfrau für die UTG Witten
- 2022 Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Fußballs
Christa Kleinhans über …
„Ich bin 1937 geboren und habe das Kriegsende erlebt. 1945 gab es nicht viele Spielmöglichkeiten für uns Kinder. Wir haben in Trümmern gespielt und da ich schon immer so fußballbesessen war, habe ich mit den Jungs gespielt.
Wenn man mir zu Weihnachten Püppchen geschenkt hätte, dann hätte man mich beleidigt. Sternchen in den Augen hätte ich gehabt, wenn ich einen Fußball bekommen hätte. Aber es war sehr schwer, an so etwas ranzukommen.
Da ich als Mädchen sehr gut Fußball spielen konnte, wurde ich auch von den Jungs akzeptiert und gehörte eigentlich mit zu den besten. Ich will mich nicht wichtigtun, aber ich will nur sagen, wie verrückt ich als Kind schon nach Fußball war.
Mein Vater hat mich immer zu seinem Sportverein mitgenommen. Und wie oft habe ich gedacht: Ich möchte doch auch so gerne Fußball spielen, warum darf ich mich? Wusste aber nicht, dass irgendwann mal die Zeit kommt, in der ich Fußball spielen durfte. Das war der Anfang meines Fußball-Gedankens, kann man sagen. Dieser Wunsch, der zog sich wie ein roter Faden durch meine Kindheit, bis ich 1955 als Teenie tatsächlich Fußball spielen durfte.
Ich bin in einer Straße groß geworden, die sehr frequentiert ist. Aber in der Nachkriegszeit gab es dann Orte, da spielte dann eine Ecke gegen die andere. Da hat die Christa immer fleißig mitgewirkt. Das war so der Anfang, wie ich bei den Jungs mitspielen durfte. Ich brauchte mich da nicht durchzusetzen. Ich war voll anerkannt, denn so kleine Jungs können Mädchen gegenüber ja auch nicht gerade höflich sein, aber ich habe das durch meine Leistung geregelt.
Ich weiß gar nicht, mit welchem Ball wir in der Straße gespielt haben. Vermutlich war das schon irgendwie etwas Rundes. Ich kann mich aber auch erinnern, dass wir aus Zeitungspapier eine Kugel geformt haben. Und dann haben wir auch damit Fußball gespielt. Diese Kugel wurde dann so richtig festgeknetet, nassgemacht, gedrückt und so weiter, bis es eine Ballform angenommen hat. Damit haben wir gespielt. Es gab ja noch gar nicht so viel. Deutschland war zehn Jahre nach dem Krieg noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Als Kind wurde man natürlich nicht so damit konfrontiert.
Aber wie wir Fußball gespielt haben, das war etwas Wunderschönes. Ich habe nie mit Mädchen gespielt, immer nur mit Jungs. Und ich freute mich auch, dass mich die Jungs voll angenommen haben, also muss ich auch etwas geleistet haben.“
„Fakt ist gewesen, dass es das Verbot nicht nur in Deutschland gab, sondern auch in Österreich, in Holland und so weiter. Auch dort haben sich Vereine aufgetan, gegen die wir gespielt haben. Aber die haben wir alle niedergemacht, weil wir eben zu stark waren. Das kann man wirklich so sagen. Die werde auch ihre Schwierigkeiten gehabt haben.
Wir haben eine Woche in Österreich gespielt, gegen eine österreichische Mannschaft und ich weiß gar nicht, wie haushoch wir gewonnen haben. Es war also von der Leistung her nicht das, was wir gewohnt waren. Da bin ich auch ein bisschen stolz drauf, dass wir die Leistung abgerufen haben, die wir eigentlich gar nicht von unserem Talent her weiter entwickeln konnten, etwa durch intensiveres Training, denn wir hatten ja gar keine Fußballplätze zum trainieren. Wir haben geguckt, wo können wir trainieren? Wir hatten unsere Späher, unsere Freunde. Die sind dann auch schon mit dem Fahrrad vorgefahren und haben geguckt, wo eine große Wiese war.
Es tat sich dann eine große Wiese im Dortmunder Hoeschpark auf. Flächenmäßig war die so groß, wir mussten die erst mal entrümpeln, also Maulwurfshügel und dieses und jenes entsorgen. Tore gab es nicht. Wir haben unsere Sporttasche hingestellt, aber wir waren glücklich, überhaupt eine Fläche gefunden zu haben, wo man uns nicht wegjagt.
Denn wenn wir heimlich irgendwie auf dem Sportplatz waren und dort trainieren wollten, dann kam früher oder später jemand und hat uns weggescheucht. So ist das nicht nur einmal gewesen, das ist einige Male so passiert.
Aber eben, weil wir so besessen vom Fußball waren haben wir uns nicht unterkriegen lassen, wir haben weitergekämpft. Und da muss ich sagen, dass wir speziell hier in Dortmund bei Fortuna eine wunderbare Mannschaft hatten, die auch Leistung gebracht hatte, wo man sich nicht darüber lächerlich machen konnte.
Ich muss jetzt mal sagen, als wir und Herr Floritz, der das gemanagt hat, in dem süddeutschen Raum gespielt haben, haben wir in einigen Städten dreimal gespielt, die Resonanz war so gut. Und diese Rückmeldung tat uns auch gut. Und dann habe ich mir schon damals gedacht: Wenn wir nicht so gut gespielt hätten, dann hätten wir nicht das zweite Mal dort spielen dürfen und auch nicht das dritte Mal. Das war so eine innere Befriedigung. Trotz des Verbotes haben wir Anerkennung erfahren.
Eine Reise lief meist so ab, dass wir immer zwei Spiele gemacht haben, samstags und sonntags, damit sich das Ganze finanziell auch lohnte. Wir sind in Dortmund in den Bus eingestiegen, haben dann noch ein paar Spielerinnen, die aus Oberhausen und Essen kamen eingeladen und haben dann aus finanziellen Gründen auch holländische Spielerinnen mitgenommen. Gegen die haben wir dann einen Tag später gespielt. Das Ganze kann man sich gar nicht vorstellen, wie das damals alles gewesen ist, was für ein Aufwand es war, um überhaupt Fußball zu spielen zu dürfen. Damals haben viele von uns auch noch am Wochenende gearbeitet.
Ich kann mich erinnern, als ich meine Beamtenprüfung gemacht hatte und sollte befördert werden, dann stand ich da und mir wurde gesagt: ‚Nein du bist nicht dabei.‘ Ich fragte: ‚Wieso?‘ Der Grund war, dass ich zu der Zeit, als wir eine Woche in Österreich gespielt hatten, unbezahlten Urlaub genommen habe. Der wurde mir dann angekreidet. Da wurde ich zurückgestellt, aber das war mir so egal. Ich habe eine Woche in Österreich Fußball gespielt.“
„Trainer oder Trainerinnen haben wir nicht gehabt. Oder Männer, wo wir dachten: Ach, die könnten uns eigentlich trainieren. Da weiß ich nicht, wie weit die sich als Trainer formiert haben. Ich weiß aber Folgendes: Wir hatten da jemanden, da stellte sich aber die Frau quer. Die hatte was dagegen, dass ihr Mann die Mädchen trainierte. Und wir hatten immer Schwierigkeiten damit, hier irgendjemanden zu finden. Und dann waren wir, wie sagt man so schön, Autodidaktinnen.
Wir haben uns dann nachher, als das Fernseher kam, dort etwas abgeguckt und versucht, das irgendwie umzusetzen.
Im Training oder in der Leichtathletik habe ich dann die anderen Mädchen auch so ein bisschen flott gemacht, damit sie schneller wurden und so weiter. Dann habe ich mich mehr um die Leichtathletik gekümmert. Das andere hat sich dann so ergeben. Es ist halt alles anders gewesen. Ich möchte die Zeit natürlich immer wieder erleben. Aber ich möchte auch die Zeit erleben, wie die Mädchen von heute gefördert und gefordert werden.
Ich hatte schon oft einen Einblick in Sportschulen und habe mich darüber gefreut, so kleine Mädchen herumhüpfen zu sehen, mit einem Ball und unter Anleitung von Trainern. Dann hat man den Gedanken, mein Gott, die werden dort richtig schön geschult – wunderschön, dass die Entwicklung so gekommen ist.
Wenn man sich mit den Spielerinnen aus den 1970er-Jahren unterhält, dann hatten die es auch nicht leicht, die hatten auch ihre Schwierigkeiten. Denen wurde zwar ein Bundestrainer gestellt und so weiter, aber was soll ich sagen, es war ein anderer Zeitgeist.“
„Eigentlich komme ich immer auf das Spiel in München zurück. Das wirklich so ein besonderes Erlebnis für uns war. Wir wussten nur, dass München die Filmstadt war. Wir hatten alle nicht das Geld, um Urlaub zu machen. Viele Väter waren im Krieg geblieben. Die Mütter mussten zusehen, wie sie ihre Kinder durchkriegten und so weiter – somit fiel auch der Urlaub für viele flach. Und dann hieß es auf einmal: Wir können nach München, wir spielen da Fußball. Es war natürlich eine Euphorie bei uns in der Mannschaft das zu erleben. Und das haben wir eigentlich so richtig schön eingesogen, zum Beispiel, wie wir behandelt wurden. Die Umstände waren alle toll. Wir haben in Garmisch übernachtete. Da war der Bobfahrer Andi Ostler, er hat uns auch noch begrüßt. Es war alles wunderschön. Ich kann nur sagen, dass es eine wunderbare Zeit war. Wir haben viele schöne Spiele erlebt. Aber dieses Münchener Spiel ist besonders haften geblieben, da es auch in der Presse so präsent war.
Also wir fuhren mit dem Bus in Richtung Dantestadion und wir haben gedacht: Mein Gott, ist das Volk heute unterwegs, wo wollen die den alle hin? Die Straßenbahnen waren so voll, die Leute hingen sogar hinten dran und haben auf den Trittbrettern gestanden.
Da sagte ich so blöd: ‚Ach, wisst ihr was, die fahren jetzt alle zum Stadion, die wollen uns sehen.‘ Wir näherten uns dem Stadion und tatsächlich war da ein riesiger Auflauf an den Eingängen – mein lieber Gott noch mal. Alle wollten uns jetzt spielen sehen, das mussten wir dann erst einmal verdauen. Denn es ist auch nicht so einfach, die Leistung zu erbringen, wenn da jetzt 18.000 Menschen zuschauen. Jede hat das dann anders verkraftet und ich weiß nicht, welchen Gedanken ich gehabt habe. Ich habe nur gut gespielt, denn das war für mich wichtig.
Man sieht das auch in einigen Wochenschauen, wie das Volk da strömte mit Stühlchen und Höckerchen an der Hand in die Richtung des Dantestadions.“