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Ellen Weber

*1938
Langjährige Leichtathletiktrainerin der DJK Tackernberg

Die Mutter der Leichtathletik in Oberhausen – mehr als ein halbes Jahrhundert prägte Ellen Weber die DJK Tackenberg. Als Abteilungsleiterin und Trainerin förderte sie zahlreiche Athletinnen und Athleten, begleitete Erfolge bis zu Deutschen Meisterschaften und engagierte sich auf Vereins- und Verbandsebene.

Kurzbiografie

  • Geboren 1938 in Oberhausen
  • 1949-1953 Realschule in Oberhausen
  • 1953-1956 Kaufm. Lehre
  • 1956-1960 Deutsche Bundesbahn Direktion in Essen, Vorzimmer des Abteilungspräsidenten
  • Seit 1967 Mitglied DJK SG Tackenberg
  • Ab 1968 Rolle als ÜL, im selben Jahr Lehrgang zum ÜL-A
  • 1974-1983 Nebenberufliche Lehrkraft an der Theodor Heuss Realschule
  • 1974 Goldene Ehrennadel (LVN)
  • 1978 Erwerb der Trainer B-Lizenz
  • 1979 Erwerb der Trainer A-Lizenz (alle Sprünge) in Mainz
  • 1979-1992 Schülerwartin im (damaligen) Leichtathletik-Kreises Rhein-Lippe
  • 1980-2008 Abteilungsleiterin Leichtathletik im Verein DJK SG Tackenberg
  • 1993 Goldene Ehrennadel (DLV)
  • 1993 Goldene Ehrennadel (DJK SG Tackenberg)
  • 2003 Mitorganisatorin bei der Ruhrolympiade in Oberhausen im Stadion Niederrhein
  • 2008 Goldene Ehrennadel (SSB Oberhausen)
  • Ab 2008 Ehrenmitgliedschaft (DJK SG Tackenberg)
  • 2018 Carl-Mostert-Relief (DJK Diözesanverband Essen)

Ellen Weber über …

… Kindheitserinnerungen und Bewegung in Trümmern

„Ich wurde 1938 in Oberhausen geboren. 1942, mitten in der Kriegszeit, wurden wir nach Österreich evakuiert. Die Ernährung dort war sehr schlecht, ich wurde krank, und so kehrten wir nach Oberhausen zurück. Von dort aus konnten wir zu einem Kriegskameraden meines Vaters nach Thüringen fahren. Er und seine Familie nahmen uns herzlich auf, und schließlich bekamen wir dort sogar eine eigene Wohnung. Es war ein kleiner Ort in der Nähe von Worbis. Dort erlebte ich ein richtiges Landleben, konnte mich frei bewegen und wurde eingeschult. Ich erinnere mich daran, dass die Zuckertüten noch am Baum hingen. An den Unterricht selbst habe ich kaum Erinnerungen, denn schon kurze Zeit später kam mein Vater aus dem Krieg zurück. Beim zweiten Anlauf gelang uns die Rückkehr nach Oberhausen, versteckt im Güterzug, wo mein Vater bereits eine Wohnung organisiert hatte. Wenn der Wind stark blies, musste ich aufpassen: Dann flog ein loses Blech vom Dach, und ich musste hinterherlaufen. Schnell laufen konnte ich schon damals.

Sport spielte sich für uns Kinder hauptsächlich auf der Straße ab. Wir hatten vielleicht einen Ball, und auf den Pflastersteinen konnte man wunderbar hüpfen. Das Nachbarhaus war ausgebombt, und ich sprang oft aus dem ersten Stock auf den Schutthaufen. Später kam das Rollschuhlaufen dazu, immer mit einer Ölkanne in der Hand, weil es noch keine Kugellager gab. Eine richtige Turnhalle habe ich nie von innen gesehen.

Zunächst besuchte ich die Grundschule mit 56 Kindern in einer Klasse. Wenn es regnete, stand der Klassenraum unter Wasser, und wir mussten uns über die Bänke hangeln. Schuhe hatte ich keine, nur Holzklumpen. Sport in der Schule gab es nicht. Dafür bekamen wir auf dem Schulhof Essen. Jeder brachte ein Töpfchen mit, und dann wurde Suppe verteilt.

Um 1949 herum wechselte ich die Schule. Ein Gymnasium kam wegen des Schulgeldes nicht infrage, die Realschule war günstiger. Mein Vater hatte gerade den Meisterbrief erworben, und so war es selbstverständlich, dass die Tochter eines Meisters die Realschule besuchte. Diese Schule war halb ausgebombt. In einer Woche hatten wir vormittags Unterricht, in der nächsten Woche nachmittags.

Ich wollte unbedingt Sport treiben. Man schickte mich los mit der Anweisung, einfach geradeaus zu gehen. Schließlich stand ich auf einer großen Brücke über der Eisenbahn, vor mir nur Industrie. Niemand hatte gesagt, dass ich einmal links abbiegen musste. Am Ende fand ich aber doch die kleine Halle, ein altes Gebäude mit einem Barren und einer Bank. Einmal nahm ich an einem Wettkampf teil. Mein Vater hatte mir eingeschärft: ‚Du lässt dich nicht überholen.‘ Also rannte ich los, war als Erste im Ziel, sah mich um und die anderen liefen noch. Also rannte ich weiter. Wieder schaute ich mich um, und noch immer waren sie hinter mir. Schließlich holten sie mich nach einer halben Platzrunde ein. So sehr hatte mich der Satz meines Vaters geprägt, dass ich mich nicht überholen lassen durfte. Das war die einzige richtige Sportveranstaltung, an der ich in meiner Kindheit teilnahm.“

… ihre ersten ÜL-Scheine bei der DJK in Münster

„Den Übungsleiterschein habe ich sehr schnell gemacht. Dafür fuhr ich zur DJK-Sportschule nach Münster. Große Erinnerungen habe ich daran nicht, außer dass wir alles machten: Fußball, Handball, Basketball, Leichtathletik, Turnen, Gymnastik – es war eine Fülle an Übungen und sehr anstrengend. Ich habe damals ständig Lehrgänge besucht, fast jedes Wochenende, sehr zum Leidwesen meines Mannes. Danach folgte die nächste Ausbildung, der Übungsleiter F für Leichtathletik. Dort ging es schon gezielter zu, wir wurden auf die einzelnen Disziplinen eingestellt. Wir mussten alles selbst ausprobieren, nicht nur zuhören. Irgendwann konnte ich nur noch rückwärts die Treppe hinuntergehen, so erschöpft war ich. Aber es war ein großes Vergnügen.

Ich meine, dass Herr Zalfen zu dieser Zeit auch schon an der DJK-Sportschule in Münster war. Später wechselte er nach Essen zum DJK-Diözesanverband und besuchte die Vereine regelmäßig. Dort habe ich ihn kennengelernt. Er betonte immer das Mitmenschliche und die Werte der DJK. Das hat mich sehr geprägt.

In Oberhausen wuchs mein Verein. Wir trainierten zunächst auf einem Sportplatz, später wechselten wir auf eine Anlage mit Hochsprunganlage. Dabei unterstützte mich der Stadtsportlehrer Klaus Brosius sehr. Er gab mir die Möglichkeit, einen Förderunterricht zu übernehmen, der eigentlich von der Gesamtschule aus organisiert war. Eine Sportlehrerin und ich fuhren mit dem Bus zu den Sportanlagen von Rot-Weiß Oberhausen und trainierten dort die talentierten Schülerinnen und Schüler. Alles, was ich für meinen Verein brauchte, stellte er mir zur Verfügung: Medizinbälle, kleine Hürden, Bälle. Diese Hilfe war für mich sehr wertvoll.

Ich vermute, ihm verdanke ich es auch, dass ich einen Brief von der Stadt bekam. Man bot mir an, an zwei Grundschulen zu arbeiten, die Stundenpläne lagen bereits vor. Doch mein Mann verbot es mir, und ich musste absagen. Ein Jahr später kam ein neuer Brief, diesmal von einer Realschule direkt in unserer Nähe. Diesmal sagte ich mir: ‚Ich lasse es mir nicht verbieten, da gehe ich hin.‘ Ich arbeitete zwischen sechs und acht Stunden pro Woche, also unter der Versicherungsgrenze. Pro Stunde erhielt man damals 10,50 DM, bei über 30 Kindern pro Klasse. Immerhin bekam man die Bezahlung auch in den Ferien weiter. So war es gut geregelt.

Ich erhielt dort eine unglaubliche Resonanz, die Arbeit hat mir sehr viel Freude bereitet. Viele der guten Schülerinnen und Schüler habe ich in den Verein geholt. Mit einigen stehe ich heute noch in Kontakt oder treffe sie sogar nach all den Jahren. Wir nahmen damals auch an ‚Jugend trainiert für Olympia‘ teil. Die Gymnasien hatten es einfacher, weil sie ältere Schüler hatten. In der Realschule endete das ja früher. Trotzdem erreichten wir einen dritten Platz, was für mich ein großartiger Erfolg war.

Im Training mussten meine Sportlerinnen und Sportler alle Disziplinen ausprobieren, genauso wie ich bei meinen Ausbildungen. Wir waren bei vielen Wettkämpfen dabei, ich war ständig unterwegs. Aber es war nie Drill, sondern Freude am Sport. Ich habe gefördert, nicht gefordert.“

… Improvisation in Oberhausen und Waffenschmuggel

„Das ist ein Geben und Nehmen, denke ich mal. Ich habe zum Beispiel den Sportplatz immer so bezeichnet: ‚Ich gehe jetzt zu meiner Tankstelle, ich tanke Lebensfreude.‘ Das war so, und das ist heute noch so.

Nochmal zu den Schwierigkeiten, die man hatte: Ich sprach ja von dieser Hochsprungmatte, die wir gekauft haben und die später auf dem anderen Sportplatz stand. Die war sehr hart, und die Athletin sprang schon ganz schön hoch. Im Niederrheinstadion gab es eine neue Beleuchtung, und die einzelnen Birnen waren in Schaumstoff eingepackt. Diese Schaumstoffblöcke habe ich von Herrn Brosius bekommen. Ich nahm sie mit nach Hause, klebte sie im Keller zusammen, nähte einen Überzug — und der lag dann oben auf der Hochsprunganlage, sodass die Sportler weich landeten. Das war so eine Sache.

Eine andere Anekdote hat auch mit dem Stadtteil und dem Sportlehrer zu tun. Er sagte zu mir: ‚Während der Pause eines Spiels von Rot-Weiß Oberhausen ist es immer so langweilig. Man kann die Leute ja auch mal anders motivieren. Man kann Kinderstaffeln laufen lassen.‘ Da meinte er, man solle mehrere Staffeln laufen lassen. Das waren ganz junge Kinder, so zehn Jahre alt, glaube ich. Ich antwortete: ‚Ich kenne die Kinder doch nicht. Einen Staffelstab übergeben kann man nur üben, das geht nicht so einfach.‘ Er sagte: ‚Du wirst schon eine Möglichkeit finden.‘

Also nahm ich keine Staffelstäbe, sondern kleine runde Gymnastikreifen. Die legte ich in meine kleine Sporttasche und darunter die Startpistole. Ich musste ja den Start machen. Mit meinem Einladungsschreiben ging ich zur Kasse, zeigte es vor und durfte passieren. Da fragten einige Ordner, ob sie die Tasche kontrollieren dürften. ‚Natürlich dürfen Sie die Tasche kontrollieren. Aber wenn Sie bis zum Grund der Tasche gehen, werden Sie eine Pistole finden.‘ Ich sagte nicht, dass es eine Startpistole war. Gleich war ich von fünf Ordnern umringt und musste die Tasche auspacken. Dann kam ein Platzwart vorbei und rief: ‚Frau Weber, was ist denn hier los? Was macht man mit Ihnen?‘ ‚Wie kennen Sie mich?‘ ‚Natürlich, Sie sind ja jede Woche ein paar Mal auf dem Platz.‘ ‚Ach so!‘ — und damit war die Sache erledigt. Das war für mich ein Vergnügen mit dieser Startpistole.“

… das Ende ihrer Trainertätigkeit, Presse und Öffentlichkeit

„Ich habe dann nach Mainz geschrieben, wo ich die ganzen Lehrgänge absolviert habe. Ich hatte wieder die Einladung usw. und schrieb: Also jetzt, in dem Alter, mit 70 Jahren oder so, möchte ich nicht mehr. Ich habe das so viele Jahre gemacht, es war alles gut, aber irgendwann will man nicht mehr oder kann man nicht mehr. Und dann kam so gar keine Reaktion. Das fand ich ein bisschen schade. Von anderen Stellen bin ich ja schon überall geehrt worden – vom Stadtsportbund, von der Stadt und so weiter. Ich selbst habe auch an Deutschen Meisterschaften teilgenommen, aber nie extra für mich trainiert, sondern einfach mit den Sportlern zusammen. Da habe ich aber den Endkampf nicht erreicht.

Dann bin ich nach Zittau gefahren und dachte, ich könne es noch einmal versuchen. Ich glaube, da war ich schon 75 oder so ähnlich. Ich habe mich dort selbst angemeldet, das ging immer auf meine Kosten. Von dem winzig kleinen Hotel habe ich mir ein Fahrrad geliehen und bin damit immer zum Sportplatz gefahren. Das war richtig schön. Ich traf viele Bekannte, ich kannte ja so viele, und das war toll. Die Eröffnungsveranstaltung war großartig – klein, aber richtig nett. Da habe ich dann mitgemacht und bin Dritte im 100-Meter-Lauf geworden. Das war das Einzige, aber ich habe gesehen: Ich kann es noch.

Ach so, und dann hatte ich noch den David, den Weitspringer, der inzwischen nicht mehr in Oberhausen wohnte. Der rief an: ‚Können wir heute trainieren?‘ Und dann saß ich da und wartete eine ganze Stunde, weil er wieder im Stau stand. Irgendwann habe ich gesagt: Das ist nicht mehr das Richtige für mich. Vor einigen Tagen fand in Essen der ‚Wettkampf der Überflieger‘ statt. Dafür hatten sie den Kennedyplatz präpariert. Früher fand dieser Wettkampf immer auf dem Sportplatz statt, und da war ich mit ihm auch. Ich rief ihn an: ‚Das kannst du dir ansehen.‘ – ‚Nein, da war ich nicht.‘ – ‚Nein, auf dem Kennedyplatz nicht, du warst damals im Stadion.‘ Da hat er auch gute Erfolge erzielt. Er war der Letzte, an den ich mich noch erinnere. Da ist er, glaube ich, auch so 6,95 Meter oder was gesprungen.

Die Presse ist der Leichtathletik nicht sehr gut gesinnt. Alle kleinen Sportveranstaltungen vom Fußball stehen in der Zeitung, und wir werden dann nur nebenbei erwähnt. Wenn wir einen Wettkampf ausrichten – das haben wir jetzt wieder gemacht, auch immer die Hallenmeisterschaften für die Kinder – dann muss man als Ausrichter einen Gesamtbericht schreiben für alle Vereine der Stadt. Und da kommt nichts. Ich schreibe dann natürlich nicht nur: ‚Platz 1 für … mit der und der Leistung‘, sondern erwähne das in einem Satz. Aber das ist denen zu lang. Es betrifft ja mehrere Vereine, nicht nur uns. Und das ist schade.“

… die DJK Sportfeste

„Das war eigentlich ein Treffen der Sportler. Man kannte sich von der Sportschule Münster, traf sich dort wieder, und das war eine schöne Sache. Ich glaube aber, das Interesse hat nachgelassen. Eine Deutsche Meisterschaft hat heute einen anderen Stellenwert. Damals war das noch etwas Besonderes, das war fantastisch. Ich habe ja gesagt: Ich war zum ersten Mal auf einem DJK-Sportfest – und es war etwas Besonderes, dass wir eingeladen wurden. Im Laufe der Jahre ließ das nach.

Aber die ganze Idee des fairen Sports, ohne Doping und mit Gemeinschaft, war für uns wichtig. In Mainz zum Beispiel hatten wir einen Wettkampf, da war die Grenze gerade geöffnet. Es kamen Sportler aus der DDR, aber deren Trainer haben nicht mit uns gesprochen. Ich hätte gern Fragen gestellt, aber sie haben sich abgeschottet. Sie hatten eine ganz andere Vorstellung vom Sport, der wurde dort ja auch anders gefördert als hier. Einmal hatten wir sogar einen russischen Trainer beim Stabhochsprung-Lehrgang. Der sagte: ‚Wenn einer über fünf Meter springt, dann kann man ihn trainieren.‘ Aber ich muss ihn doch erst dahinbringen. In Kienbaum konnten wir mehrfach am Tag trainieren, aber bei uns war ich froh, wenn ich überhaupt einmal in der Woche eine Halle hatte. Und wann konnte ich schon auf den Platz? Diese Möglichkeiten gab es hier nicht. Sie sprachen also von Dingen, die ich weder hätte erfüllen können noch wollen.

Deshalb war für mich klar, dass Sportler, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht hatten, den Verein wechselten. Aber manchmal war ich auch stolz. Einer wechselte nach Wattenscheid, weil er mit dem besten Speerwerfer trainieren wollte. Als Schüler hatte er bei mir 76 Meter geworfen. Dort schaffte er diese Leistung nicht mehr. Natürlich war der Speer länger und schwerer, aber er hat es nicht geschafft. Da habe ich gedacht: Naja, wäre er mal bei mir geblieben. Es ist vielleicht gemein, dass ich so denke, aber ich spreche es einfach aus.“

 

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