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Erika Dienstl

Erika Dienstl

*1930
Erste Frau an der Spitze eines deutschen Spitzensportverbandes

Im Rahmen ihrer Funktionärstätigkeiten prägte Erika Dienstl die nationale und europäische Sportwelt. 1986 wurde sie Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes, sodass die Stolbergerin als erste Frau den Gipfel eines hiesigen Spitzensportverbandes erklomm.

Kurzbiografie

  • Geboren 1930 in Aachen
  • 1936 Eintritt in den Allgemeinen Turnverein Stolberg-Atsch
  • Abitur am Gymnasium in Stolberg
  • 1952-1968 aktive Fechterin im Stolberger Fechtclub
  • Angestellte bei Chemie Grunenthal in Stolberg
  • 1963-1965 Jugendwartin des Rheinischen Fechter-Bundes
  • 1965-1970 Jugendwartin des Deutschen Fechter-Bundes
  • 1972-1982 Vorsitzende der Deutschen Sportjugend
  • 1982-2002 Vizepräsidentin des Deutschen Sportbundes
  • 1986-2000 Präsidentin des Deutschen Fechter-Bunde
  • 1996 Großes Bundesverdienstkreuz
  • Seit 2001 Ehrenpräsidentin des Deutschen Fechter-Bundes
  • 1995-2001 Mitglied IOC-Kommission „Sport et Environment“
  • 2001 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Seit 2018 Persönliches Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes
  • 2023 Fair Play Auszeichnung für lebenslanges Engagement des Internationalen Fair Play Komitees (CIPF)

Erika Dienstl über …

… erste sportliche Erfahrungen im Allgemeinen Turnverein Stolberg-Atsch

„Ich bin aufgewachsen in der Nähe von Stolberg in Stolberg-Atsch, das ist ein Vorort von Stolberg mit Eltern, die sich sehr für Sport interessierten. Sie legten Wert darauf, dass ihr einziges Kind auch in diesem Sektor sich zu bewegen lernte. Wir waren nicht weit vom Atscher Turnverein entfernt. Ich war noch nicht in der Schule, doch meine Eltern hatten den Eindruck, ich sollte mich in diesem Verein als relativ junges Kind betätigen. Und das relativ junge Kind wollte das auch sehr gerne. Und von daher bin ich dann mit sechs Jahren in diesen Verein gegangen und bin bis heute da noch Mitglied. Das war dann 1936.
Von den olympischen Spielen in Berlin habe ich sehr wenig mitbekommen. Also mein Vater hat sich etwas dafür interessiert. Das kam aber auch dadurch, dass er als Soldat im Ersten Weltkrieg war und da natürlich auch gelernt hatte, sich zu bewegen, was nicht gerade positiv zu sehen ist. Meine Mutter hatte zwei Schwestern, die beide sehr intensiv mit dem Turnen zu tun hatten. Dann war das logisch, dass die Mutter sagte: ‚Ja, das ist doch schön, wenn Tante Sofia und Tante Fine und so weiter, dann gehst du da in den Turnverein.‘ Und so kam ich dann in den Allgemeinen Turnverein Stolberg-Atsch.
Man turnte am sogenannten Pferd. Es war gar nicht so ohne, als Kind die Beine hin und her zu schwenken. Aber man machte es und wurde auch ein bisschen angeschnauzt, dass man jetzt das und das zu tun hatte. Und dann legt man Wert darauf, dass man das auch konnte. Wir gingen Hand in Hand durch die Halle und machten einige Dinge, die die Übungsleiterin vormachte und wir machten das dann nach. Das war auf einem relativ kleinen Level.
Der Sportunterricht war nicht nennenswert. Man legte damals darauf Wert – wenn man das aus heutiger Sicht so sieht, dass die Dinge, die der Partei wichtig waren, beherrscht wurden. Und da war natürlich die Tatsache, dass man in einem Turnverein war sehr wichtig und sehr hilfreich. Vor allem, wenn man aus einem Elternhaus kommt wie ich, wo man mit hochgezogener Nase allem entgegenstand, was mit dieser Partei zu tun hatte. Nach dem Motto: Ist nicht so wichtig.“

… ihren Weg in den Rheinischen Fechter-Bund

„Dann kamen die Geschichten, wo ich dann für den Verband, für den Rheinischen Fechter-Bund gestartet bin, viermal sehe ich da gerade. Das war dann beim Deutschen Turnfest. Das Turnfest hat mich damals sehr interessiert, da bin ich auch gut gestartet. Nach dem Motto: Sechster Platz, fünfter Platz. Das waren schon sehr gute Plätze.
Der Vorsitzende des Rheinischen Fechter-Bundes war ein Doktor Waterloo, einen Hochschularzt in Aachen. Der war auch mit mir befreundet und hat gesagt: ‚Erika also jetzt solltest du mal überlegen, ob du nicht Jugendwartin des Rheinischen Fechter-Bundes werden willst.‘ Na ja, ich hatte nichts dagegen. ‚Und, wie sieht das aus?‘ Dann hat er mir gesagt: ‚Das sind Lehrgänge beim Landessportbund.‘ Und das klang auch sehr gut. Und dann war ich schon in diese Maschinerie eingebunden. Nach dem Motto: ‚Erika May, mach das mal!‘
Da habe ich mich anscheinend bewährt. Meine Mutter war ja aufgeschlossen für solche Dinge. Sie hatte gesagt: ‚Kind, bist du wieder weg?‘ Und das Kind war wieder weg. Aber es kam dann wieder mit Kränzchen und alledem, da war die Mutter natürlich stolz. Sie sagte dann: ‚Meine Tochter, die ist bei einem Lehrgang. Die hält den selbst ab.‘“

… die Reise zum Olympische Jugendlager in Mexico 1968 und ein Treffen der besonderen Art

„Wir mussten einen Aufsatz schreiben, wo ich heute sage, wir mussten verrückt gewesen sein. Wir mussten einen Ball werfen und so weiter. Und Bärbel und ich, wir wurden am Wochenende informiert, wir würden nach Mexiko fahren.
Dieter Buchholz war damals der Leiter der Deutschen Sportjugend. Und er saß mit dem Philipp Ludwig, der dann später mein Mann war, vorne und mich ärgerte das. Ich dachte: Der schmeißt sich jetzt an diesen Ministerialdirektor ran, blöd. Und dann haben wir in Halifax, das weiß ich bis heute noch Zwischenlandung gemacht. Und ich marschierte durch die Halle und Philipp Ludwig und der Dieter Buchholz saßen da und Philipp rief: ‚Wollen sie sich nicht zu setzen?‘Ich guckte und dachte: Ach, das ist der Blöde. Und sagte: ‚Nein will ich nicht.‘
Hat er später immer gesagt: ‚Das hätte mich warnen müssen!‘ Wie du da patzig sagst: ‚Nein will ich nicht.‘ Ja gut. Und er hat mir aber bei der Einweihung der Olympischen Spiele ein Platz freigehalten. Und so begann diese ganze Geschichte mit uns.
Da war ich schon eine Betreuerin, wo der Dieter Buchholz auch ein Auge darauf geworfen hatte.“

… Ereignisse um die Fecht WM in Essen 1993

„Das war ja zu der Zeit, als ich Präsidentin war und der Professor Barth, mein Generalsekretär, der kam ja aus der DDR. Und ich habe mit ihm und mit dem Klaus Jancker, das war unser Sportwart gearbeitet. Die sagen heute noch: ‚So, wie Sie mit uns umgegangen sind…‘ Das war ja für mich klar. Vor allem der Barth hatte ja einen riesen Auftrieb bei den Fechtern der DDR. Die hatten ja diesen komischen Menschen an der Spitze. Der hatte die schlecht behandelt. Nach dem Motto: Das ist ein bürgerlicher Sport, das will man nicht haben. Und der Barth war der letzte Fechtpräsident der DDR-Fechter. Das ging aber nicht mehr lange da, dann kam die Vereinigung. Dann haben die anderen Fechter von Frankreich und so weiter über uns hinter vorgehaltener Hand geredet. Ich ging immer mit dem Barth bei den Weltmeisterschaften in Essen gemeinsam durch die Halle. Wir erzählten uns was und überlegten, wie wir den gemeinsamen Verband führen konnten. Und die anderen Fechtergilden haben immer gesagt: ‚Guck, die Deutschen, jetzt sind sie wieder zusammen.‘
Und dann stellte sich heraus, dass ein damaliger Mitarbeiter, den ich auch noch eingestellt habe, uns nach Strich und Faden betrogen hat. Wir Deutschen waren verschuldet. Wir haben die Weltmeisterschaft noch über die Bühne gekriegt. Wenn ich als Präsidentin jemals schlaflose Nächte gehabt habe, dann die in dieser Zeit. Und dann habe ich ihn natürlich rausgeworfen, klar.
Und dann hat der Barth zu mir gesagt: ‚Frau Dienstl, ich bin ja jetzt Vizepräsidentin bei ihnen, ich würde auch eine andere Position annehmen, wenn ihnen das recht ist, Wir habe uns doch gut verstanden.‘
Dann habe ich meine bessere Hälfte gefragt: ‚Was hältst du von dem Barth?‘ ‚Ich werde mit ihm reden.‘
Und dann sagt der Barth bis heute noch: ‚Wie ich mit Herrn Ludwig geredet habe, da war mir klar, das ist dein Job.‘ Er wurde dann mein Generalsekretär und hat dann auch zu mir gesagt: ‚Frau Dienstl, wir brauchen auch einen Sportdirektor. Und wir hatten einen guten Sportdirektor bei der DDR. Es ist der Herr Jancker und der sucht auch einen Job. Gucken Sie sich den mal an.‘
Inzwischen ist er Herr Jancker Mitglied im Internationalen Fechter-Bund und so weiter. Also von daher habe ich die Weichen zu der Zeit versucht zu stellen.“

… Geschichten um Thomas Bach und Matthias Behr

„Ich kannte ihn schon. Ich hatte ihn schon bei Turnieren erlebt. Und er war der Schüler von Bach und hörte sehr auf Bach. Mehr als der Matthias Behr, das war ein ganz anderer Typ.
Ich war mit denen in Amerika, bei den Weltmeisterschaften der Fechter. Und da war diese junge Truppe, Bach und Behr. Und der Behr, der hatte zu der Zeit einen Tick. Der hatte immer einen Kaffeewärmer auf dem Kopf. Das sah verheerend aus. Das hätte ein Bach nie getan. Aber jeder ist ja anders. Und bei der Weltmeisterschaft wird einmarschiert und dann habe ich gesagt: ‚Matthias, die Mütze aus!‘ ‚Die ziehe ich nicht aus!‘. Das weiß ich bis heute noch: ‚Wenn du die Mütze nicht ausziehst, marschiert ihr ohne die Erste Dame ein und das bin ich.‘ ‚Ja, okay‘ – sie sind ohne mich einmarschiert. Er hat die Mütze nicht abgenommen. Da hat später der Bach zu mir gesagt: ‚Frau Dienstl, ist es ihnen nicht schwergefallen?‘ ‚Mir ist es schon schwergefallen. Ich wäre gerne vor euch marschiert. Aber da lass ich mir doch nicht auf der Nase herumtanzen.‘ Das waren so Dinge.
Und bei den Russen kam ich mit der Truppe, die ich zu betreuen hatte, bei den Zöllnern an. Ich habe mich wohl etwas umgeschaut. Und da der Zöllner so geklopft, ich sollte geradeaus gucken. Da hat der Bach gesagt: ‚Sie werden nicht unserer Frau Dienstl …, wenn die da gucken will, dann guckt sie da.‘ Das war der Bach.
Und einmal saßen die DDR-Fechter da. Die hatten auch Turnier und tranken etwas. Und ich saß da mit Bach und Behr und wir tranken auch etwas. Und dann sagte der Bach: ‚Wolle Sie nicht die DDR-Fechter an unseren Tisch holen?‘
Da habe ich gesagt: ‚Herr Bach, die kommen nicht. Ich gehe dahin, ich frage. Aber die kommen nicht, die dürfen das nicht.‘ Ich habe gesagt: ‚Meine Fechter lassen Frauen, ob sie vielleicht zu uns an den Tisch kommen wollen. Und da haben die gesagt: ‚Wir wollten gerade zu Bett gehen.‘ Ich sagte: ‚Dann wünsche ich eine gute Nacht.‘ Und die sind abgezogen.
Mit den unseren ist abgesehen vom Kaffeewärmer, alles gut gegangen.“

Eintritt in den Stolberger Fechtclub

Ämter im Rheinischen Fechter-Bund

Wahl zur Vizepräsidentin des Deutschen Fechter-Bundes

Wahl zur Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: