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Sabine Braun

*1965
Welt- und Europameisterin sowie Olympia-Dritte im Siebenkampf (1992)

Die Siebenkämpferin Sabine Braun war die erste deutsche Leichtathletin, die an 5 Olympischen Spielen teilnahm. Drei Welt- und zwei Europameistertitel schmücken die Laufbahn der Essenerin, die sich 1992 Olympia-Bronze erkämpfte und einen – bisher ungebrochenen – deutschen Heptathlon-Rekord aufstellte.

Kurzbiografie

  • Geboren 1965 in Essen
  • Ausbildung zur Industriekauffrau
  • Vereine: 1978-1982 TuSEM Essen, 1983-1984 LAV Düsseldorf, 1985-1987 LG Bayer Leverkusen, 1988-2002 TV Wattenscheid 01
  • 1984-2000 5 Teilnahmen an Olympischen Spielen
  • 1990 und 1994 Europameisterin im Siebenkampf
  • 1991 und 1997 Weltmeisterin im Siebenkampf
  • 1992 Olympia-Bronze im Siebenkampf
  • 1992 (bis heute) Deutsche Rekordhalterin im Siebenkampf (6985 Punkte)
  • 1997 Hallen-Weltmeisterin im Fünfkampf
  • 2003-2020 Trainerin beim TV Wattenscheid 01

Sabine Braun über …

… den Vorteil abwechslungsreicher Trainingseinheiten

„Das Mehrkampftraining bringt natürlich sehr viele Aufgaben mit sich, weil sich die Disziplinen doch teilweise sehr unterscheiden, aber auch eine große Vielfalt an Trainingsmöglichkeiten. Man trainiert eben nicht wie ein Spezialist, vielleicht drei Sachen in der Woche, sondern wir haben eigentlich immer alles trainiert. Jede Woche kam jede Disziplin – vielleicht ist das Speerwerfen im Winter ein bisschen zu kurz gekommen. Aber ansonsten hat es eben viel Variation gegeben: Viele Sprints, viele kleinere Übungen für den Hochsprung, Weitsprung, für die Würfe. Nach mehreren Jahren Erfahrungen sieht man natürlich auch, wo es am meisten Punkte zu gewinnen oder zu verlieren gibt. Und dann kann man auch mal andere Schwerpunkte setzen. Und ich denke, das war gesundheitlich für mich auch ein großer Vorteil, dass ich so abwechslungsreich und gestreut trainiert habe. Ich habe relativ wenig Probleme durch meine Leistungssportkarriere, was das Körperliche angeht. Was bei Spezialisten vielleicht ein bisschen anders ist, weil eben immer wieder der gleiche Rhythmus da ist und die gleiche Disziplin trainiert wird und die gleichen Übungen gemacht werden. Bei uns war das eben sehr abwechslungsreich, das hatte mir das ganze Training auch erleichtert. Ich habe immer sehr gerne trainiert. Mir ist das nicht schwergefallen. Die eine oder andere Trainingseinheit sicherlich auch mal, auf die ich mich nicht gefreut habe. Aber an sich glaube ich hat mir das gutgetan, dass ich wirklich lange so breit gestreut trainiert habe.“

… Reaktionen auf den Tod ihrer Freundin Birgit Dressel

„Der Tod von Birgit Dressel ist mir hauptsächlich so in Erinnerung geblieben, dass eigentlich alle alles geleugnet haben. Also sowohl der DLV hat irgendwo keine Verantwortung übernommen, auch was so Doping im Leistungssport angeht. Die Ärzte haben auch keine Verantwortung übernommen. Und es ist ja im Nachhinein eigentlich klar, dass sie tatsächlich verbotene Mittel genommen hat, die natürlich zu dieser Komplikation oder Mit-Komplikation geführt haben. Sie hat Medikamente bekommen, die sich damit nicht vertragen haben. Das konnte aber der behandelnde Arzt vielleicht gar nicht wissen. Also es war in jeder Hinsicht einfach eine Katastrophe.
Ich habe eine gute Freundin verloren. Der Sport hat eine gute Sportlerin und verloren. Familie und Freunde haben eben auch ein Familienmitglied oder jemanden ganz enges verloren.  Es hat sich bei mir eher so auf der persönlichen Ebene abgespielt, dass ich das als Katastrophe empfunden habe. Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll: Also, dass es jetzt ein Riesenthema in der Öffentlichkeit war, dass irgendwie aufgeklärt werden musste. Sondern es war für mich eine Katastrophe und eine Tragödie. Und ich habe das eigentlich auch mehr so im kleinen Kreis versucht, irgendwie damit klarzukommen.
Meine medizinische Betreuung habe ich immer privat geregelt. Also ich habe mich eigentlich wenig auf den medizinischen Stab des Verbandes verlassen. Man ist ja den Großteil des Jahres im Grunde relativ alleine unterwegs und zu Hause und im Verein. Und da muss man sich sein Team zusammensuchen, was eine gute Betreuung bieten kann. Und wenn ich dann bei großen Meisterschaften bin, habe ich versucht, dieses Team auch mit dabei zu haben, sodass ich die Leute um mich hatte, die ich tatsächlich auch tagtäglich um mich hatte. Die mich gut kennen und die auch wissen, was ich brauche. Wenn ich zu einem Arzt komme bei der Meisterschaft und ich sage: ‚Mir tut jetzt die Wade weh. Das habe ich die letzten drei Monate schon viermal gehabt.‘ Weiß der das aber nicht. Er weiß auch nicht, wie es behandelt wurde.
Dann ist es sicherlich eine gute Möglichkeit für einen Athleten, sich da behandeln zu lassen. Aber eine individuellere Betreuung finde ich besser. Jetzt ist es nicht jedem möglich, sein eigenes Team mitzunehmen. Mir war es damals möglich, da bin ich auch sehr froh drüber. Aber es ist natürlich schon wichtig, dass man sich gut betreut fühlt. Und da gibt der Verband sicherlich auch sein Bestes.“

… Einfluss der Wiedervereinigung auf den organsierten Sport

„Die Wiedervereinigung hat natürlich vor allem für die ostdeutschen Athleten ganz viele Schwierigkeiten mit sich gebracht. Sich plötzlich wiederzufinden in einem ganz anderen System mit anderen Menschen mit anderen Wertevorstellungen, stelle ich mir unglaublich schwierig vor. Ich bin froh, dass ich auf der anderen Seite stand und so diesen großen Einschnitt in meiner sportlichen Karriere nicht hatte. Es ist ja vielen ehemals ostdeutschen Athleten sehr gut gelungen, den Übergang zu schaffen. Viele sind ja dann auch direkt nach Westdeutschland gekommen und haben dann ihren Sport hier weitergeführt.
Was ich als nicht ganz so positiv empfinde und ich weiß gar nicht, ob ich das sagen darf, ist, dass sich in Trainer- und Funktionärskreisen die ehemals ostdeutschen Trainer sehr durchgesetzt haben und dadurch auch so ein bisschen diese Trainingsmethoden, die es in der DDR gab, bei uns auch etabliert haben. Ich habe niemals danach trainiert, weil ich es auch nicht gekonnt hätte, das waren Umfänge, die ich einfach hätte gar nicht absolvieren können. Ich war sowieso immer jemand, der ein bisschen weniger trainiert hat, dafür vielleicht qualitativ ein bisschen besser. Das war in diesem DDR-System irgendwie nicht. Das kam da nicht vor. Das war Programme durchziehen und gucken, wer ankommt. So ungefähr. Und das wäre für mich nichts gewesen. Und ich bin froh, dass ich in Westdeutschland groß geworden bin, habe aber so ein bisschen das Gefühl, dass sich eigentlich das ostdeutsche System durchgesetzt hat.“

… ihre Rezeption in den Medien und Identifikation mit dem Ruhrgebiet

„Die Beschreibung meiner Persönlichkeit in den Medien war sicherlich nicht ganz falsch. Also wenn ich als wortkarg bezeichnet wurde, dann hat das ja jemand so empfunden. Also wenn ich jetzt keine ausschweifenden Erklärungen im Interview abgegeben habe, sondern ganz konkret auf die Frage geantwortet habe und die Antwort ist dann eben in acht Wörtern zu Ende, dann beschreibt man das gerne, wahrscheinlich nach dem dritten und vierten Interview als wortkarg.
Und als jemand, der unnahbar ist und auch ein bisschen arrogant und klar, kompliziert auch irgendwie. Aber glaube tatsächlich, dass alle Leistungssportler irgendwie auch ein bisschen kompliziert sind.
So ganz gerecht fand ich es eigentlich nicht, weil ich in meinem Privatleben sicherlich auch keine große Erzählerin bin und war. Aber ich auch nicht über die Maße kompliziert war oder bin. Also meine Persönlichkeit ist so. Was mich im Nachhinein so ein bisschen traurig stimmt, ist, dass es eigentlich immer so einen negativen Touch hatte, wie man mich beschrieben hat. Und nicht: Die ist so, wie sie ist. Und das ist auch gar nicht schlimm so. Aber es wurde immer so ja immer so ein bisschen negativ dargestellt.
Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Auf jeden Fall, also ich bin gerne da, und ich glaube auch, dass meine Mentalität daherkommt. Das passt zu der Region. Und ob ich jetzt aus Essen komme oder aus Wattenscheid oder aus Gelsenkirchen, ist tatsächlich jetzt nicht so wichtig. Im Herzen bin ich immer noch eine Essenerin, weil ich da einfach geboren wurde und auch meine Kindheit verbracht habe. Ich fühle mich aber in Wattenscheid oder in Bochum genauso wohl. Und die Grenzen verschwimmen. Also ich bin genauso schnell in Essen wie in Gelsenkirchen oder fast in Dortmund. Also es ist ja schon eine Großstadt, der Ruhrpott. Und ich tu mich auch schwer, diesen zu verlassen.“

… den Stellenwert der Leichtathletik im Ruhrgebiet

„Die Leichtathletik ist eine der Kernsportarten der Olympischen Spiele. Also ich glaube auch ein ganz wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Und da, wo ich meine Leichtathletik betrieben habe, war das auch immer gern gesehen und hat auch viel Zuspruch bekommen. Und es waren auch immer viele Menschen in diesem Umfeld unterwegs. Entweder als Ehrenamtler, die geholfen haben, dass es den Sport in der Form gibt, oder eben dann auch die Sportlerinnen und Sportler. Egal, ob ich jetzt in Düsseldorf war oder in Leverkusen im Verein oder dann im Ruhrpott, in Essen und in Wattenscheid. Der TV Wattenscheid gehört seit Jahren zu den größten Leichtathletikvereinen der Republik. Und wir haben immer ausgezeichnete Athletinnen und Athleten, die erfolgreich sind. Und ich habe mich da immer sehr wohl gefühlt und gut aufgehoben gefühlt, weil ich wusste, dass alle, die dort sind, alles geben, damit die Leichtathletik einen Schritt nach vorne macht und sich weiterentwickelt.
Der Stellenwert der Leichtathletik im Ruhrgebiet oder auch in Bochum, weil ich da jetzt beheimatet bin, ist schon sehr groß. Also das will ich überhaupt nicht bestreiten, es könnte besser sein. Es gibt aber im Leben auch noch andere Bereiche als nur den Sport. Da gibt es auch viele andere Projekte, die gefördert werden müssen. Das kann nicht nur der Sport sein, der finanziell unterstützt wird. Wenn ich auf andere Sportarten gucke, die vielleicht – hat man zumindest immer so den persönlichen Eindruck – weniger persönlichen Einsatz fordern als die Leichtathletik oder das Rudern oder Judo oder sonst irgendwelche Sportarten, die eigentlich immer nur präsent sind, wenn der Olympischen Spiele stattfinden, dann stimmt mich das traurig. Aber es gehören auch immer zwei dazu. Wenn im Fußball so viel Geld gezahlt wird, dann hat das seinen Grund, weil die Menschen dahin pilgern, weil sie bereit sind, viel Geld, jede Woche oder alle zwei Wochen für ein Heimspiel zu bezahlen. 80 Euro für ein Heim- und ein Auswärtstrikot jede Saison neu bezahlen. Wahrscheinlich würden wir es auch nehmen, wenn es uns so gehen würde. Also es ist schade, dass es so ungleich verteilt ist auf die Sportarten, aber es hat ja irgendwie auch seinen Grund.
Positiv verändern kann man ja immer viel. Es kann aber auch schlechter werden. Wir haben in den letzten Jahren die eine oder andere Krise gehabt, dass wir Sponsoren verloren haben, dass Sponsoren nicht mehr bereit waren, ganz so viel Geld zu zahlen. Wir haben aber auch neue Sponsoren gefunden und konnten die von unserer Vision begeistern. Wenn wir jetzt das neue Stadion bekommen oder das halbe neue Stadion, es ist ja nur ein Umbau des Lohrheidestadions, dann glaube ich, sind wir schon an der Sonnenseite des Sports, was die Infrastruktur angeht. Klar kann man mit mehr Geld auch immer noch mehr machen. Man kann öfter ins Trainingslager fahren, man kann noch bessere Athleten verpflichten. Man kann noch mehr an Sachen pfeilen, die man sich sonst vielleicht nicht leisten kann. Sei es irgendwelche speziellen Trainingsgeräte oder in der medizinischen Betreuung. Geld kann man immer gebrauchen. Aber ich glaube, wir dürfen uns nicht zu viel beschweren.“

Verschiedene Trainingsansätze

Finanzierung und Klaus Steilmann

Olympia 1984 und große Erfolge


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: