Skip to main content
DSCF1655

Sönke Wortmann

*1959
Ehemaliger Oberliga-Fußballer sowie Film- und Fernsehregisseur

1980 schoss Sönke Wortmann die Spielvereinigung Erkenschwick in die 2. Fußball-Bundesliga Nord. Alsbald tauschte der Bergmannssohn aus Marl Rasenplatz gegen Regiestuhl, um nicht nur millionenfach bewegten Männern fortan von Berner Wundern und Sommermärchen zu erzählen.

Kurzbiografie

  • Geboren 1959 in Marl
  • 1980 Aufstieg in die 2. Bundesliga mit SpVgg Erkenschwick
  • 1983-1989 Studium der Regie an der Hochschule für Fernsehen und Film München
  • 1998 Gründung seiner eigenen Produktionsfirma Little Shark Entertainment GmbH
  • 2003 Veröffentlichung des Kinofilms „Das Wunder von Bern“
  • 2006 Veröffentlichung des Kinofilms „Deutschland ein Sommermärchen“

Sönke Wortmann über …

… den ersten Stadionbesuch und Anfänge beim TSV Marl-Hüls

„Mein Vater hat mich zu meinem ersten Stadionbesuch mitgenommen und komischerweise hat sich das eingebrannt. Ich weiß noch, dass es gegen Schwarz-Weiß Essen war. Ich weiß noch, dass wir 3:1 gewonnen haben. Ich weiß auch noch, wer die Tore geschossen hat. Ich war sechs Jahre alt, also es ist ewig her. Es muss etwas sehr Besonderes gewesen sein, sonst würde ich mich nicht heute noch daran erinnern. Und ja, ich bin dann auch in den Verein eingetreten. Eine E-Jugend, die gab es damals noch nicht. Ich habe in der D-Jugend angefangen, war aber ein Jahr jünger und habe die nächsten 15 Jahre sehr intensiv Fußball gespielt. Das fing beim TSV Marl-Hüls an.
Ich kann mich an alles erinnern, auch wenn es noch so lange her ist. Ich war auch anfangs immer der Kleinste und dann war ich nicht in der Aufstellung. Es gab natürlich kein Internet und Telefon, zumindest bei uns nicht. Wir mussten dann immer zum Vereinsheim fahren. Das war circa fünf Kilometer mit dem Fahrrad und dann am Freitagabend gucken. Und da stand immer die Aufstellung angeschlagen, wer spielte. Und eines Tages stand mein Name auch drauf – ich war überglücklich. Ich weiß nicht mehr, ob es mein erstes Spiel war. Aber ich kann mich an ein Spiel erinnern, wo ich meine ersten Tore geschossen habe gegen VfL Drewer und wir 4:0 gewonnen haben. Ich habe tatsächlich zwei Tore geschossen. Dieses Bild wie zum ersten Mal ein von mir geschossener Ball im Tornetz landet, das habe ich auch immer noch sehr gegenwärtig. Ein unglaubliches Glücksgefühl.“

… Fußball, Sport und Schulzeit

„Ich glaube, den Mitschülern war das relativ egal, dass ich Fußball spielte. Es waren eher die Lehrer, die es gut fanden. Meine Mitschüler wussten es oft gar nicht, es gab ja kein Internet. Man konnte nicht googeln: Ahh da hat er ein Tor geschossen. Oder sich auch noch Videos angucken oder Live-Stream. Da stand dann was am Montag in der Zeitung oder auch nicht. Und die, die sich dafür interessiert haben, die haben das gelesen, aber die meisten haben es auch nicht gelesen. Also ich war jetzt nicht so ein Shootingstar auf meiner Schule.
Eine Schulmannschaft gab es auch. Und da habe ich auch tatsächlich gespielt. Und da sind wir auch mal sehr weit gekommen. Da waren wir mal fast Westfalenmeister, weil wir ein Spiel verloren haben. Aber in der Schule ist es natürlich schwierig. Du kannst natürlich nur die Leute nehmen, die an der Schule sind und wir hatten einfach keinen Torwart. Wenn wir einen gehabt hätten, wären wir vielleicht auch Westfalenmeister der Schulen geworden.
So ein bisschen Erinnerungen habe ich schon an den Schulsport. Ich habe mir gemerkt, wie wenig mir das alles Spaß gemacht hat, außer wenn ein Ball im Spiel war. Ich fand diese Langläufe schrecklich. Die 100-Meter-Läufe, da war ich nicht so schnell, wie ich das gerne hätte und dann so Disziplinen wie Weitsprung, Hochsprung, das war alles gruselig. Noch schlimmer war allerdings Geräteturnen, das konnte ich überhaupt nicht, dafür aber alles, was mit einem Ball zu tun hatte.“

… die Entscheidung in München zu studieren

„Ich hatte trotz allem das Gefühl, trotz zweiter Liga, dass ich einfach nicht gut genug bin, um es wirklich in die Bundesliga zu schaffen. Und deshalb habe ich gerne noch mal ein Jahr bei Westfalia Herne gespielt. Und dann hatte ich andere Interessen. Ich wollte mal weg aus der Gegend, wo ich groß geworden bin, also aus dem Ruhrgebiet. So sehr ich das immer toll fand und heute noch toll finde. Aber ich wollte mal was anderes von der Welt sehen und bin dann in München gelandet. Was ich einfach als einen totalen Gegensatz damals zum Ruhrgebiet empfunden habe. Ich wäre auch fast nach Paris gegangen. Dann wurde es aber München und ich habe mich dann auch schnell wohlgefühlt. Und es hat dann auch was genutzt, weil in München habe ich dann entdeckt, dass es eine Hochschule für Fernsehen und Film gibt, wo ich theoretisch das lernen könnte, was ich in meiner Freizeit gerne gemacht habe, nämlich ins Kino zu gehen, also zu lernen, wie man Filme dreht. Dann habe ich mich nach zwei Jahren rumschleichen um die Schule, getraut mich zu bewerben. Das war nicht so leicht, denn die nehmen nicht so viele, also irgendwie 15 von 800 oder so war damals die Quote.
Also man bewirbt sich dort. Man kriegt dann Bewerbungsaufgaben, die versucht man dann zu lösen oder herzustellen, was die da gerne möchten. Von den Bewerbern waren, glaube ich, 60 in der zweiten Runde, wo man dann auch Gespräche mit den Professoren hat. Und so wird man dann noch mal geprüft und interviewt vor allem aber auf den Zahn gefühlt. Von den 60 blieben am Ende 14 übrig und ich habe echt gestaunt, dass ich dabei war. Das hat mich wahnsinnig gefreut. Und es hat sich ja dann im Nachhinein gelohnt, anstatt beim Fußball zu bleiben. Dann wäre ich jetzt wahrscheinlich ein fünfmal entlassener Trainer. Und so kann ich immer noch an dem arbeiten, was mir Spaß macht.“

… Drehorte und Spezialeffekte zum „Wunder von Bern“

„Die Geschichte spielt im Ruhrgebiet, das ist ein Teil von NRW. Und natürlich haben wir uns auch bemüht, hier Drehorte im Ruhrgebiet zu finden, die auch das Ruhrgebiet erzählen. Das wurde aber immer schwieriger. Das war damals noch eine Zeit, da gab es noch hier und da Ecken, die so ein bisschen nachkriegsähnlich aussahen. Aber heute, 20 Jahre später, wäre es eigentlich unmöglich gewesen. Wir haben in Köln gedreht, wir haben in Duisburg gedreht, in Oberhausen, in Essen, auch in Recklinghausen. Wir sind also quer durchs Ruhrgebiet gefahren, um diese wenigen Drehorte, die die noch 50er-Jahre waren, zu finden und ein bisschen Schweiz und Thunersee – der Geist von Spiez.

Es war eine riesige Herausforderung, die Stadionszenen zu drehen. Alle wissen ja, es war ein volles Stadion in Bern, mit 40.000-50.000 Zuschauer oder so. Auf jeden Fall war es voll und es hat geregnet. Du kannst jetzt nicht 50.000 Komparsen historisch anziehen und die ins Stadion lassen. Es ist völlig unvorstellbar, was das kostet über fünf Tage kostet. Dann haben unsere Techniker gesagt: ‚Ja, wenn wir dann eine grüne Leinwand bauen, dann können wir die Zuschauer da rein produzieren.‘ Das ist heute gang und gäbe. Das macht jeder so und ist auch nicht mehr teuer. Damals war das aber wahnsinnig teuer. Ich glaube, es hat 2 Millionen Euro oder so gekostet, allein dieses Endspiel zu machen. Wenn man das heute sieht, dann denkt man: Es sieht schon so ein bisschen suboptimal aus, sag ich mal. Aber damals ging es tatsächlich nicht besser – es ging weltweit auch nicht besser.
Es ist nicht so, dass die Amis, weil sie viel mehr Geld haben, uns ein paar Schritte voraus waren. Im gleichen Jahr hat der Film Gladiator den Oscar für die besten Spezialeffekte gewonnen. Und wenn man sich das heute anguckt, wie künstlich diese Tiger da im Kolosseum in Rom sind, da denkt man auch: Okay, also viel schlechter waren wir auch nicht. Sagen wir mal so. Aber es war die Zeit, es war 2002.“

… Motivationsfilme für die Nationalmannschaft während der WM 2006

„Jürgen Klinsmann hatte dann mal die Idee: Wenn ich schon einen Regisseur dahabe, dann kann er ja auch mal was machen. Er hat mich dann gebeten, aus Filmmaterial, aus der Sportschau und so mal eine Art Motivationsclip zu machen. Also die Tore des letzten Spiels, zum Beispiel vom Eröffnungsspiel gegen Costa Rica, und das dann mit einer coolen Musik zusammenzuschneiden. Und dann hat er das ziemlich direkt vorm Spiel, noch mal gezeigt, damit die Spieler einfach noch mal scharf auf Erfolg sind und sagen: ‚Geht doch! Ein tolles Tor. Jetzt will ich wieder Tore schießen.‘ Das habe ich mal gemacht. Und weil das nächste Spiel dann gewonnen wurde und der Fußballer ja an sich abergläubisch ist, musste ich das dann jedes Mal machen. Das heißt, bevor es in den Bus ins Stadion ging, bei der Schlussbesprechung habe ich dann ein Filmchen gezeigt. Und ja, das ist lange gut gegangen, bis zum Halbfinale.
Ich habe die Filmchen tatsächlich irgendwo auf DVD. Ich muss dazu sagen, vor dem Halbfinale gegen Italien, da war der Videorekorder kaputt, der fiel aus. Deswegen konnte ich den zusammengeschnittenen Film nicht zeigen. Und das bedeutet wieder, dass ich schuld bin.“

Oberligakick in Erkenschwick

WM 1954 – Zwischen Fußball, Film und Ruhrgebiet

Spezialeffekte und technische Anforderungen

“Deutschland ein Sommermärchen”

Sönke Wortmann: Mea culpa


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: