Manuel Andrack
*1965
Wanderexperte
Bekannt wurde Manuel Andrack durch seine Tätigkeiten im Privatfernsehen. Sein erstes Buch „Du musst wandern“ wurde 2005 zu einem Bestseller und half dem zuvor staubig anmutenden Wandern zu einem neuen Image.
Kurzbiografie
- 1965 geboren in Köln
- 1984-1990 Studium der Theater- Film- Fernsehwissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte in Köln
- 1995-1998 SAT.1-Redakteur für die Late-Night-Sendung “Harald-Schmidt-Show”
- 1998-2008 Redaktionsleitung der “Harald-Schmidt-Show”
- 2001 Deutscher Fernsehpreis und 2003 Deutscher Fernsehpreis
- 2005 Erstes Buch und Bestseller “Du musst wandern”. Seitdem weitere Wander-Buchprojekte: „Wandern“ (2006) und „Das Neue Wandern“ (2011), „Schritt für Schritt – Wanderungen durch die Weltgeschichte“ (2016), „Wandern mit Kindern“ (2018)
- Seit 2012 regelmäßiger Wanderblog unter andrackblog.de
- 2023 erscheint im Bruckmann Verlag der Bildband „Wanderglück Deutschland“
Manuel Andrack über …
„Mein Vater war, wie so viele Väter zu dieser Zeit, ein absoluter Fußballfan, aber auch generell sportinteressiert. Es war eigentlich klar, wenn etwas wie Olympia war, hat man alles geguckt. Die Sportschau natürlich auch komplett. Heutzutage wäre es unglaublich, aber die hat tatsächlich noch andere Sportarten gezeigt außer Fußball, Stichwort Galopper des Jahres und Sulki-Rennen in Gelsenkirchen und so was. Und das wurde halt alles geguckt. Also den Galopper des Jahres und die Wahl, das kannte man schon. Die Namen waren einem schon bekannt von den Leichtathletik-Stars. Ich kann mich noch wirklich an den Sprung von Ulrike Meyfarth 1972 erinnern. Also das ist dann auch so mit persönlichem Leben verbunden. Und es gab durchaus mehr Leichtathletik. Das war auch noch schön, da gab das ASV-Sportfest gegenüber vom Müngersdorfer Stadion noch. Einen Weltrekord über 1500 Meter habe ich da miterlebt.
Mein Vater, der ja also gelernter Fußballfan ist, kommt aus Trier und war Fan von Eintracht Trier, hat noch Fritz Walter spielen sehen und diese Geschichten, bla bla bla.
Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich das öffentlich erzähle. Ich habe, glaube ich, meine Zeugung so einem Fußballfan-Ereignis zu verdanken. Es ist so: Mein Vater hat es nur ein einziges Mal geschafft, meine Mutter mit ins Stadion zu nehmen. Und das war im September 1964. Es war ein Heimspiel. 1. FC Köln gegen Borussia Neunkirchen, die heute sechste Liga spielen. Ich war zuletzt noch dort, hab dann ein Spiel gesehen gegen Sportfreunde Köllerbach, aber damals war es wirklich erste Bundesliga. Und bei Borussia Neunkirchen spielte ein Spieler mit, den mein Vater zumindest von der Zeitung sehr gut kannte, einen Trierer Spieler, ich habe seinen Namen vergessen. Also Neunkirchen hat sich auch echt gut gehalten. Nach fünf Minuten haben die 2:0 geführt. Das Spiel ging 4:3 für den FC aus, wenn er da heute davon erzählt, kriegt er noch leuchtende Augen. Damals ging das wohl noch, nach dem Spiel hat er diesen Spieler angesprochen und hat sich mit dem darüber unterhalten, die wie die Chancen für Borussia Neunkirchen sind, um die die Klasse zu halten bla bla. Und er war so euphorisch. Heute kriegt er noch glänzende Augen vor Euphorie, wenn er davon erzählt. Und wie gesagt, er war mit meiner Mutter im Stadion und es ist wirklich so. Es war exakt neun Monate vor meiner Geburt, dieses Spiel, das man da meiner Meinung nach nur eins und eins zusammenrechnen muss. Danke FC, danke Borussia Neunkirchen für dieses Sportereignis.
Und ich kann mich auch erinnern, da war irgendwie eine Saison und ich glaube, da hat Fortuna Köln in der Radrennbahn hier gespielt. Da wurde das Müngersdorfer Stadion gerade gebaut und das muss wohl 1971/72 gewesen sein. Es ist ja eben nicht rechtzeitig fertig geworden für 1974 das Stadion. Und da kann ich mich an diese Atmosphäre, an diese Radrennbahn erinnern, dass das auch unfassbar weit weg war vom Spielgeschehen, ich habe fast überhaupt nichts gesehen. Da kann ich mich noch daran erinnern.
Normal waren halt die Besuche bei Viktoria Köln, das war fußläufig oder mit dem Rad unser rechtsrheinischer Verein und da bin ich schon mit drei oder vier Jahren mitgegangen, habe mich überhaupt nicht für das Spiel interessiert. Als ich mich für das Spiel interessiert habe, dann habe ich auch angefangen, so mit 10, 11, 12 Jahren da alleine hinzugehen.“
„Man hat zu der Zeit am Anfang des Privatfernsehens alle möglichen Menschen kennengelernt. Also meine beiden Chefs, die kamen aus München, die kamen eher aus dem Filmbereich und wollten jetzt das große Geld im Fernsehen machen. Aber die anderen Mitarbeiter, die hatten die unterschiedlichsten Ausbildungen, da waren auch Leute, die ein abgeschlossenes Studium hatten. Ganz viele kamen als Animateur dazu. Die waren irgendwie beim Club Robinson und sind dann da, weil sie auch ein bisschen quatschen konnten und ein bisschen was von Unterhaltung verstanden, da irgendwie reingerutscht. Und es gab da auch manchmal Reibereien, weil eben die Leute sehr unterschiedlich waren und so sehr unterschiedliche Hintergründe hatten. Aber ich fand es spannend. Also ich habe da sehr viel gelernt. Ich habe auch gelernt, wie es nicht geht. Also mein Oberchef Sebastian Lenz, der immer, das ist nicht übertrieben, der 150 Telefonate pro Tag vor sich hergeschoben hat und dem nicht nachkam, weil er einfach nicht delegieren konnte und nichts vernünftig zu Ende gebracht hat. Und das hat für meinen späteren Berufsweg, wie ich Sachen organisiert habe, weil Fernsehen ist ja nun auch gerade tägliches Fernsehen, egal, ob das jetzt eine Game Show ist oder eine Late Night Show war, das hat halt auch viel mit Organisation zu tun. Und da habe ich sehr, sehr viel gelernt, wie man es nicht macht.
Ich war damals zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich bin dann mit dem Chef dieser Produktionsfirma CAT Entertainment, er ist dann als Unterhaltungschef zu Sat.1 gegangen und ich habe mich dann initiativ für ihn beworben, denn er musste vorher versprechen, keinen mitzunehmen, um dann nicht der Firma zu schaden. Aber ich merkte, da ging es den Bach runter. Auch dieser Familienduell-Auftrag, das wurde uns weggenommen. Und dann habe ich mich bei ihm beworben. Dann war ich bei Sat.1 und da war ich schon mal am richtigen Ort. Wenn ich nicht bei Sat.1 gewesen wäre, wäre ich auch nicht bei der Harald Schmidt Show ein Redakteur geworden. Und dann habe ich anscheinend irgendwie einen guten Eindruck auf Fred Kogel gemacht.
Ich hatte das gar nicht gedacht, weil ich war da so ein bisschen extern, weil ich eben in Köln geblieben war und größtenteils „Geh aufs Ganze!“ als Game Show betreut habe.
Die Stars in der Redaktion von Sat.1 in der Unterhaltungsabteilung, die schon seit Jahren dabei waren und die größten Samstagabendshows da betreuten, die machten sich Hoffnungen auf diesen Job bei Harald Schmidt. Und dann ist es aber der kleine Manuel geworden. Noch nicht mal 30 war ich. Unglaublich. Und ja, das war aber auch eher so nach dem Motto: ‚Wenn Harald nur so ein bisschen an dir auszusetzen hast, dann fliegst du.‘ ‚Der ruft mich sofort an und dann bist du den Job in einer Stunde quitt.‘ Also der Start war so richtig aufmunternd.“
„Mitte der Nullerjahre, als mein erstes Wanderbuch rauskam, gab es nur Wanderführer. Also klassisch: Die 35 schönsten Touren in der Pfalz und im Allgäu und blablabla. Das war auch teilweise sehr steif geschrieben: ‚Man sollte und hier und könnte dann da an der Wegecke noch abbiegen,‘ ich sag mal unsinnlich. Bei meinem ersten Wanderbuch spielte ja zum Beispiel auch das Biertrinken immer eine große Rolle, also das Bier der jeweiligen Region und die Einkehr. Da wurde ich auch beschimpft von einer älteren Wanderin, ich wäre gar kein richtiger Wanderer, ich würde ja immer einkehren, richtige Wanderer hätten eine Rucksackverpflegung dabei. Da habe ich mittlerweile eine ganz starke Meinung zu: Ich hasse Rucksackverpfleger.
Es gab so was wie dieses Buch noch nicht. Auch der Verlag Kiepenheuer & Witsch wurde von anderen Qualitätsverlagen echt schräg angeguckt. Das wurde mir hinterher von meinem Verleger gesagt. Nach dem Motto: ‚Ihr macht jetzt Wanderführer? Aha, ihr seid jetzt so eine Art DuMont und schöner Wandern und so.‘
Und die wurden auch sehr überrascht von diesem Erfolg. Und dann gab es aber auch eine Reihe von den Büchern in diese Richtung in Qualitätsverlagen, wo Leute von ihren Wandererfahrungen quasi feuilletonistisch berichtet haben. Ja, es hat sich da glaube schon was geändert. Und es gibt Leute, die sagen, ich wäre mitverantwortlich für diese neue deutsche Wanderwelle. Ich glaube es eigentlich nicht. Ich glaube, ich bin da so schön, als die Welle sich so richtig auftürmte, bin ich da ganz schön mitgesurft, weil es waren ja andere Aspekte. Es war ja, was man nie vergessen darf, die große Zeit von dieser Firma mit der Tatze.
Zum Zeitpunkt, als ‚Du musst wandern‘ rauskam, in der Mitte der Nullerjahre war das im Feuilleton kein Thema. Also ich hatte eine Besprechung über ein Buch in der FAZ. Der Journalist hatte mich auf dieser Pressewanderung begleitet. Es war aber ganz komisch. Die Kritik ist zerhackt worden von der Chefredaktion, also nach der Hälfte hört die auf, da, wo es noch positiver wird. Und dann stand da irgendwie so ganz komisch: ‚Der Andrack ist doch nur ein Fernsehheini.‘ Also das hatte auch nichts mit dem Buch zu tun. Da hatte irgendeiner dann noch so ein paar negative Zeilen reingeschrieben, damit es nicht so positiv wird.
Ich weiß, dass der jetzige Chef des Reiseblatts der FAZ, der Freddy Langer, selber begeisterter Wanderer ist und auch selber Wanderbücher geschrieben hat, auch immer wieder lange Wandertexte in der FAZ schreibt. Da bin ich dann mal am Rande aufgetaucht in irgendwelchen Berichten über diese Fahrt in der Eifel. Aber dann richtigen Austausch oder dass man gesagt hätte, ich hatte irgendwann mal mit Dirk Schümer was zu tun, das nicht. Er hat auch ein Buch über Wandern geschrieben und hat lange in Venedig gelebt. Und er ist auch begeisterter Wanderer, hat übrigens auch ein Buch über Fußball geschrieben ‚Gott ist rund.‘ Also da haben wir schon eine sehr ähnliche Publizistik. Außer, dass ich nicht 20 Jahre in Venedig gewohnt habe.“
„Also das Erlebnis beim Wandern steht ja im Vordergrund, also gerade bei den bei den modernen Premiumwegen. Nicht umsonst heißt die Bewertungsskala, die beim Deutschen Wanderinstitut die Premiumwege bewertet, Erlebnispunkte. Und zwar jetzt nicht Halligalli Jahrmarkt, sondern eben ‚Wie ist das Waldbild?‘ ‚Wie ist der Ausblick?‘ ‚Kann ich auf eine Bank?‘ ‚Ist die Erlebnisqualität am Ausblick auch so, dass ich dem Ausblick auf einer Bank genießen kann?‘ ‚Oder muss ich mich da irgendwo hinstellen, was nicht so schön ist?‘ ‚Gibt es da Wasser zu erleben usw. und so fort.‘
Und da geht es, glaube ich immer mehr darum, den Leuten nicht dieses, was in den Wandervereinen früher noch zelebriert wurde, dieses Kilometerfressen ans Herz zu legen. Am Ende des Jahres kriegt derjenige eine Nadel vom Wanderverein, der die meisten Kilometer geschrubbt hat, wie die Wege waren, egal, ob das stink langweilige Forstwege durch Fichtenwald waren? Egal, Hauptsache Kilometer. Und das gibt es ja heutzutage so nicht mehr. Das ist ja auch ein Grund, warum das mit dem Wanderverein den Bach runtergeht und mehr hin zum persönlichen Erleben.
Klar knubbeln sich die Wanderer immer zuerst mal auf den beliebtesten Wegen und an den Tagen, wo hauptsächlich gewandert wird, zum Beispiel ein verlängertes Wochenende, schöne Maifeiertage, Sonntage. Deswegen habe ich auch zur Corona-Zeit gesagt: ‚Leute, geht doch nicht irgendwie. Wenn ihr noch nie gewandert seid, dann informiert euch doch ein bisschen im Internet und geht nicht dahin, was euch als erstes beim Thema Wandern einfällt. Also fahrt nicht nach Garmisch-Partenkirchen und nach Oberstdorf und verstopft da die ganzen Parkplätze, sondern erkundigt euch doch mal, wo vielleicht nicht so viel los ist, Wanderwege gibt es genug in Deutschland.‘ Also es ist schon so eine Art Herdentrieb.
Ich habe letztes Jahr so ein E1 Experiment gemacht, eine Woche am Rand von Nordrhein-Westfalen, südliches Niedersachsen bis Hameln bin ich gegangen. Da ist der europäische Fernwanderweg E1. Die Idee war: Das ist jetzt der neue Trend, Pustekuchen. Da geht kein Mensch. Das ist auch teilweise stinklangweilig. 16 Kilometer Asphalt am Stück möchte echt kein Mensch wandern. Und ich habe das insgesamt zwei Wochen gemacht, zweimal eine Woche am Stück und habe insgesamt eine andere E1-Wanderin getroffen. Natürlich war ich dann auch in Regionen, wo ein bisschen mehr los war, aber das waren dann, man sieht es ja irgendwie an der Größe des Rucksacks, eindeutig Tageswanderer.“
„Ja, digital und analog ist ein Thema beim Wandern. Klassischerweise bin ich immer analoger Wanderer. Ich habe das auch nie verstanden, wenn jetzt in irgendeinem Wanderführer am Rheinsteig noch die GPS-Koordinaten dastehen. Man muss ja schon blind sein, um nicht irgendwie alle 50 Meter am Baum diese Markierungen zu sehen. Da muss ich ja nicht sein. Also einmal im Jahr sehe ich Leute auf Premiumwegen, die wirklich nur auf ihr GPS-Gerät gucken und danach gehen. Das ist völliger Quatsch. Ich brauche es nicht als Navi, ich brauche es professionell, um mich nicht, was ich vor drei, vier Jahren noch gemacht habe, zu verlaufen. Also mittlerweile habe ich dann doch einen Telefonanbieter, wo ich auch einen guten Empfang im Wald habe. Wenn ich merke: Jetzt hast aber 500 Meter keine Markierung gesehen, jetzt guckst du einfach mal bei Outdooractive, ob du auch noch richtig bist. Und meistens, wenn man so lange keine Wegmarkierung mehr gesehen hat, ist man nämlich nicht richtig und dann sollte man nie den Fehler machen: Ich kenne da eine Abkürzung, sondern einfach zurückgehen und dann findet man die nächste Markierung und alles ist wieder gut. Das nutze ich auch zur Vorbereitung. Ich habe eine riesige Wanderkartensammlung zu Hause. Es sind ja eben nicht nur topografische Karten, sondern auch Karten, wo die Wanderwege meistens rot eingezeichnet sind. Also zur Vorrecherche: Lohnt sich das überhaupt in der Gegend was anzugucken? Dafür nutze ich immer noch die klassischen Papierwanderkarten. Wenn ich dann aber sage: ‚Ich gehe diesen Weg meinetwegen für den Verkehrsverbund.‘ Da wissen ja teilweise die Wegebetreiber, also diejenigen, die das mal alles bezahlt haben mit den Wegweisern oder so, die wissen überhaupt nicht, wo eine Bushaltestelle in der Nähe ist, weil die alles mit dem Auto gemacht haben.
Und dann heißt es: ‚Da kommt ihr nicht mit dem Bus hin.‘
Da muss ich natürlich digitale Mittel haben, da gucke ich, wo genau läuft der Weg lang? Vielleicht nicht am Startpunkt auf dem offiziellen, aber da ist doch eine Bundesstraße in der Nähe. Aber da geht auch ein Pfad hin. Jetzt gucken wir mal anders bei Google Maps und bei der Bahn, auch alles digitale Mittel, ob da ein Bus lang fährt. Wenn ja, fährt er auch sonntags, weil die meisten Leute wandern nun mal sonntags oder feiertags. Und dann gleiche ich das da mit diesen digitalen Hilfsmitteln teilweise ab vor Ort. Dann hieß es zuletzt auch, dass keine Einkehrmöglichkeit am Weg besteht, aber an dem Ausgangspunkt, an dem Bahnhof war 50 Meter entfernt ein tolles Restaurant mit einem riesigen Biergarten. Da habe gesagt: ‚Ja Freunde, damit könnt ihr doch Werbung machen? Die Leute sollen nicht mehr mit dem Auto zu dem Weg hinfahren, sondern die haben super Bahnanschluss und die lassen auch noch zwei Bahnen sausen, weil sie sich da noch irgendwie drei Hefeweizen reinknallen. Also das müsst ihr doch irgendwie bewerben.‘ Das stand nirgendwo zu sehen und das habe ich ausschließlich mit digitalen Hilfsmitteln rausbekommen.“