Skip to main content
DSCF2089
DSCF2092
DSCF2080
previous arrow
next arrow

Titus Dittmann

*1948
Skateboard-Pionier

Kaum ein Deutscher prägte die Entwicklung der Skateboardszene so nachhaltig wie Titus. Neben der Organisation von zahlreichen Wettkämpfen und seiner Rolle als erfolgreicher Unternehmer steht sein Name besonders mit der Stiftung Skate-Aid in Verbindung.

Kurzbiografie

  • Geboren 1948 in Kirchen an der Sieg
  • 1978-1987 Abteilungsleiter Skateboard der Turngemeinde Münster
  • 1982-2005 Ausrichter der Skateboard Weltmeisterschaften
  • 1982 Premiere des Münster-Monster-Masterhip
  • 1984 Teilnehmer der Snowboard Weltmeisterschaft
  • 1989 NRW Meister im Skateboard Slalom
  • Entrepreneur des Jahres 2001
  • Deutscher Gründerpreis 2013
  • 2013 Ernennung zum World Chairman of Skateboarding durch den Weltverband FIRS
  • 2021 Bundesverdienstkreuz am Bande

Titus Dittmann über …

… Kindheit im Westerwald und selbstbestimmtes Lernen

„Heute weiß ich, dass ich von Geburt an ADHS habe. Und von daher war ich natürlich hyperaktiv und Bewegung war für mich als Kanal das Ein und Alles. Das habe ich dann irgendwann auch ganz bewusst gemerkt. Und heute weiß ich auch, dass dieses Bedürfnis zu diesen ganzen Pioniersportarten, Extremsportarten, Action-Sport, wie man das auch immer nennt, dass das aus zwei Gründen genau das Richtige für mich war: Erstens, es ist nicht nur Bewegung, sondern hat auch viel mit mentaler Stärke zu tun oder zumindest damit, mental stark zu werden. Man muss Angst überwinden und sich damit beschäftigen, wenn man Pionier ist. Und inzwischen weiß ich, das Schönste am Pionier sein, auch im sportlichen Bereich ist, dass Pioniere keine Lehrer haben. Man kann also selbstbestimmt lernen. Und das selbstbestimmte Lernen hat mich beim Skateboarden so fasziniert. Es ist eigentlich das A und O, sich selber die Ziele setzen und hart daran arbeiten. Beim Skateboard fahren fällt man laufend auf die Schnauze: Nicht jammern, Dreck aus den Klamotten, Blut wegwischen, wieder versuchen, so lange, bis der Trick steht. Und das kann man ja heute noch beobachten an jedem Anfänger. Die wollen alle ein Ollie lernen. Das ist ein sehr komplexer Bewegungsablauf. Man hört kein Jammern. Immer wieder aufstehen, aufstehen, aufstehen. Das ist das Erste, was man aus solchen selbstbestimmten Sportarten lernt, dass man immer einmal mehr aufstehen muss als hinfallen, ansonsten ist das Leben ja mehr oder weniger vorbei.

Und das hat mir in der Kindheit, gerade in den 1950er-Jahren auch unglaublich gut geholfen. Ich muss dazu sagen, wir als Kinder der 1950er-Jahre hatten noch viel mehr Möglichkeiten, um uns selbstbestimmt zu sozialisieren. Also Selbstsozialisation, das habe ich auch in meinem Buch ‚lernen muss nicht scheiße sein‘ versucht klarzumachen, wenn wir heutzutage über Bildung reden, dass wir immer nur ans fremdbestimmte Lernen denken, an Schule, an Universität. Und dann kommen die Kinder nach Hause, dann wird gefördert und der nächste Trainer wartet hinter der nächsten Ecke. Und Kinder haben fast gar keine erwachsenen-freie-Zeiten mehr und lernen gar nicht mehr, wie wir früher zwangsläufig, dass man im Leben für sich selber Verantwortung übernehmen muss. Wenn ein Kind immer nur mit Betriebsanleitung unterwegs ist, nur gefördert wird und nicht alleine gelassen wird, dann kann es ja gar nicht spüren, was das bedeutet Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Es kann keine Langeweile bekommen, wenn es immer bespaßt wird. Und Langeweile ist für mich das Nadelöhr zum Glück. Weil es zwingt einen kreativ zu werden, um aus diesem Scheißgefühl der Langeweile herauszukommen.

Meine Eltern hatten fünf Kinder, noch keine Nanny, kein Geld für eine Putzhilfe, der Alte musste noch samstags arbeiten, acht Stunden am Tag, wie auch immer. Ja, dann bleibt pro Kind gar nicht mehr so viel Aufmerksamkeit. Und dann heißt es: ‚Hau endlich ab, hör auf zu nerven. Komm wieder, wenn es dunkel wird.‘
Und dann waren wir Zwangsunternehmer im Westerwald.
Und dann stand man da alleine, hat sich gelangweilt und ist dann hergegangen und hat gesagt: ‚So, jetzt bin ich clever, jetzt sag’ ich meinen Kumpels Bescheid, dann trifft man sich ja. Was können wir machen?‘ Also hat man Spiele erfunden. Wir haben damals ‚Westerwälder Gotcha‘ Ende der 1950er-Jahre erfunden. Mit anderen Worten: Wir haben uns Tannenzapfen in die Hosen gesteckt, dann wurden zwei Mannschaften gebildet, da wurde sich damit beworfen. Und wer getroffen wurden, der war tot. Ich war allerdings ganz geschickt im Bäume klettern. Ich habe mich immer verpisst in die höchste Tanne, habe gewartet, bis sich alle tot geschossen haben, dann bin ich wieder heruntergekommen. Da war ich immer bei den Gewinnern.
Ich wollte damit auch sagen, bei Bewegung und beim Sport, da geht es ja nicht nur rein um die sportliche Leistung, sondern je mehr es auch ein selbstbestimmter Sport ist, umso mehr ist das auch Persönlichkeitsbildung.
Deswegen sagen wir bei Skate-Aid: ‚Wir machen Kinder stark‘, weil wir ihnen den Raum geben, sich selbst die Aufgaben zu stellen, daran zu wachsen und das Selbstkonzept zu heben. Jeder Mensch, insbesondere Kinder, die haben ja auch ein Selbstkonzept. Das ist das, was man sich zutraut. Und es ist oft schwierig, dieses Selbstkonzept von außen zu heben und zu sagen: ‚Ach komm, das schaffst du schon.‘ Wie auch immer, ist alles gut gemeint. Aber das Beste ist, wenn sich ein Kind oder ein Jugendlicher selbst entscheidet: Das werde ich jetzt machen und das werde ich packen!
Denn wenn dann anschließend der Erfolg kommt, dann nennen wir das so schön Euphorie. Aber in Wirklichkeit ist das ja nichts anderes als ein körpereigener Drogenrausch, wo unser Belohnungszentrum überschüttet wird mit Endorphinen, Dopamin und was weiß ich. Und das ist ja auch das Schöne.“

… Skateboarden im Curriculum

„Es gibt so viele Gründe, weshalb ich Lehrer geworden bin. Man wird ja auch das, wo man spürt, das könnte ja so mein Ding sein. Zum einen können wir ja mit der psychologischen Seite anfangen, wenn man in der Schule nicht so die Akzeptanz findet usw. und so fort. Der Lehrer ist immer der Große und du bist immer der Kleine. Man möchte ja auch mal groß werden und auf der anderen Seite stehen. Das ist dann vielleicht das erste Bedürfnis, um Lehrer zu werden, um es endlich in diese Position zu schaffen, um vom Establishment auch akzeptiert zu werden, dass du etwas leistest und dass du auch da bist. Aber da kommen noch viele andere Gründe, natürlich immer auch der Zeitgeist und dann auch der Einfluss der Politik auf die Berufe und auf das, was so in der Gesellschaft abgeht. Es war ein Lehrermangel und es plötzlich hieß es überall: ‚Wir brauchen Lehrer, wir brauchen Lehrer!‘ Es wurden zu der Zeit S-Klassen, also Sonderklassen eingerichtet, damit man ein Schmalspur-Abitur machen konnte und dann an der Pädagogischen Hochschule für die Volksschulen, so hießen die damals, damit man da Lehrer bekommt usw.

Ich wollte nie weiter an die Schule gehen. Ich wollte nach der Hauptschule Elektriker werden, wie mein Bruder, wie mein Vater. Und alleine diese Versagensangst: Ich bin der Erste, der jetzt Abitur machen soll, denn meine Eltern wollten das gerne. Da habe ich mich mit Händen und Füßen geweigert. Aber als ich, das dann gehört habe, dann war das so eine schöne Brücke für mich. ‚Ach ja, S-Klasse, das ist vielleicht doch nicht so ein Anspruch, da mache ich das mal so. Dann bekam ich irgendwann die Mittlere Reife, da habe ich gesehen, die kochen auch alle nur mit Wasser. Da kannst du auch das normale Abitur machen, kannst auch Studienrat werden und so hat sich das entwickelt. Also wirklich aus der Kampagne der Politik: Wir brauchen Lehrer.
Dann sage ich mal, war ein kleiner Beweggrund natürlich auch die Frage: Wie kann ich mein Leben gestalten? Und so ein bisschen das Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen? Welchen Weg gehe ich? Ich muss erst mal lernen, was ist wichtig im Leben und ich habe mich auch nur nach den vorgegebenen Zielen gerichtet. Sicherheit, ein bisschen Kohle und Dingsbums. Okay, dann werde ich Beamter, dann ist das alles gelaufen. Das waren alles Beweggründe. Ich musste erst mal lernen, dass das nicht zum Glück führt. Sondern, dass Kohle mit Glück nur indirekt zu tun hat.
Sondern, dass es daran liegt, ob du dich gut fühlst. Machst du sinnstiftende Sachen, bist du stolz auf dich selber? Was bewegst du im Leben und solche Sachen? Und das ist dann wiederum der Grund gewesen, weshalb ich den Beamtenstatus an Nagel gehangen habe. Weil ich gemerkt habe: Oh, das System ist ja wie so ein Korsett.

Ich hatte das Skateboarden ja sehr früh kennengelernt. Habe es schon vor der Schulzeit, noch im Examen an der Uni kennengelernt. Da muss man sich ja überlegen. Wenn man in den Referendarsdienst kommt, musste man noch eine zweite staatliche Examensarbeit schreiben und da habe ich das Skateboarden kennengelernt. Das war 1977 ja noch Hardcore und schlecht angesehen. Man kann noch googeln: Gefährliche Rollbretter, Tagesschau 1977.
Dann sieht man dort einen Menschen mit Backenbart und einem Zettel, der ganz wichtig dem deutschen Volke erzählt, dass die Bundesregierung zusammensitzt, um das Skateboard fahren in Deutschland zu verbieten, weil man eine solche Gefahr aus den USA natürlich nicht auf die deutsche Jugend zukommen lässt. Also das ging durch alle Nachrichtensendungen und da war ich natürlich genauso, weil ich voll an die Presse geglaubt habe und überhaupt nicht kritisch mit Nachrichten umgegangen bin. Da habe ich gesagt: ‚Ja, Gott, das ist ja so alles Quatsch, nur gefährlich, nur Kinderkram wie Hula-Hoop, das geht wieder weg.‘

Und dann habe ich als angehender Pädagoge also vor meinen Referendarsdienst das erste Mal Skateboarder live gesehen in Münster. Und mit meinen pädagogischen Antennen, wo mir das ganze Studium immer erzählt wurde: ‚Boah, die haben alle keinen Bock. Da musst du dir 1000 Tricks überlegen, um die zu motivieren und damit du den Stoff überhaupt noch bringst.‘ Auf einmal sehe ich da ein Dutzend Jugendliche, die vom Lernen die Schnauze nicht voll genug kriegen. Kein Erwachsener, kein Lehrer dabei und die wollen lernen, lernen, lernen, die wollen Skateboard fahren, die wollen lernen und fallen auf die Schnauze. Die tun sich auch weh. Alles egal.
Und als angehender Lehrer hat mich das dann fasziniert und ich habe immer gedacht: Das ist ja unfassbar, was dieses Brett da bewegt.
Also jetzt aus pädagogischer Sicht, dass plötzlich so eine intrinsische Motivation entsteht, dass man das will.
Und da habe ich mir irgendwo dann gedacht: Wenn du das Geheimnis kennengelernt hast, dann hast du als Lehrer natürlich einen geilen Job, dann musst du dich nicht dauernd bemühen, um die Kinder zu motivieren, sondern du musst ja nur das Richtige anbieten und schon sind die motiviert.

Dann habe ich das selber probiert und dann habe ich gespürt, was das dann bei mir bewirkt, mit meinen fast 30 Jahren. Dieses selbstbestimmte Lernen, dass ich das auch unbedingt wollte und dass mich das weitergebracht und mich dann stark gemacht hat. Dieses immer wieder dran zu arbeiten, hinfallen, aufstehen usw. und anschließend stolz sein. Und dann kam noch hinzu bei meiner ganzen Laufbahn, wo ich für das Establishment immer nur der Störer war, plötzlich war ich der alte Sack, der bisschen mehr drauf hatte im Organisieren und die Kids hatten plötzlich einen Erwachsenen gefunden, wo sie sagen konnten: ‚Ey, wir brauchen das, wir brauchen das, wir brauchen das.‘ Und ich war so begeistert und habe das alles umgesetzt. Und so bin ich da in so ein Vakuum reingezogen worden, was auch meiner Persönlichkeit extrem gutgetan hat, dieses selbstbestimmte Lernen und dann dieser Erfolg, den ich hatte.“

… Skateboarder im Turnverein und das Titus-Skates-Show-Team

„Als ich angefangen habe, 1982 den ersten Contest in Münster zu organisieren, ich habe ja dann dafür gesorgt, dass wir einen Skatepark bekamen, da habe ich extra eine Abteilung in der Turngemeinde Münster gegründet. Das war halt mein Vorteil. Ich war dann erwachsener und ich konnte dann strategisch vorgehen. Und die Skateboarder haben das gar nicht gemerkt, dass sie plötzlich in einem Turnverein waren oder wie auch immer. Ich habe ja diese etablierten Geschichten nur benutzt, damit wir unseren Sport oder unsere bewegungsorientierte Jugendkultur umsetzen können und einfach Skateboard fahren können und so ist das dann entstanden, dass ich einfach wirklich als Erwachsener, dann schon mehr Gehör gefunden habe bei der Stadt, in Vereinen und das erklären konnte, was da passiert und was wir machen wollen und ich das dann benutzen konnte, um überhaupt so eine Basis zu schaffen.

Also was noch interessant ist, bevor das mit diesem Verein losging und mit diesem Park, du hast gerade von diesem Schülerteam und dem Titus-Show-Team erzählt. Das ist ganz interessant, wie das überhaupt entstanden ist. Das war also keine Marketinggeschichte nach dem Motto: ‚Ich will Skateboards verkaufen.‘
Das waren ja Schüler von mir und wir wollten natürlich auch fahren. Ich habe eine Halfpipe besorgt, eine transportable Halfpipe, die sah aus wie ein Sperrmüll auf dem Anhänger, die haben wir dann immer aufgebaut. Und wir haben immer Ärger gekriegt, weil die natürlich laut war und Krach machte. Nach spätestens einer halben Stunde war die Polizei da und wir mussten wieder abbauen. Und ja, wenn man dann schon erwachsener ist, dann kommt man halt auf kreative Ideen.
Da habe ich gesagt: Weißt du was? Wir sind ab jetzt das Titus-Skates-Show-Team und ich besorge uns Auftritte. Und das war ja so neu. Für die Leute war das ja schon eine Sensation, dass da jemand hin- und her rollt und die Wände hochfahren kann, mit dem Skateboard. Und da Citroën schon mein Sponsor war als Drachenflieger, bin ich da dann hingegangen und habe gesagt: ‚Hey ihr stellt die neue Ente vor, dann und dann und dann und wir können euch eine Show liefern, wir wollen gar kein Geld, gebt uns ein paar Würstchen, Cola, usw. Wir wollen nur die Hardware aufstellen und dann machen wir hier die größte Show. Und dann haben wir das gemacht. Dann haben wir einfach unter dem Deckmantel eines Showteams, was auch gut angekommen ist, dann am Wochenende plötzlich die Möglichkeiten zum Üben und besser zu fahren. Als wir dann besser fahren konnten, haben wir dann kleine Choreografien gemacht.

Die erste Shownummer war, dass jeder einzelne ein bisschen gefahren hat, was er konnte. Und zum Abschluss der Show sind wir dann zu dritt in die Halfpipe gegangen und zwei Skateboarder sind parallel außen gefahren, es war nicht sehr breit und wir waren schon eng zusammen. Also die sind außen sozusagen einfach nur so hin- und her geschaukelt, hatten noch kein Flat, kein Pop und gar nichts, auch keine Plattform oben. Ich bin dann in die Mitte gegangen und bin dann entgegengesetzt gefahren, für die Zuschauer war das die Todesnummer, denn wir hätten uns ja treffen können und was weiß ich. So ist eigentlich die Shownummer entstanden und hat sich dann weiterentwickelt. Also ich meine, wenn wir heute so etwas machen würden, die Leute würden sich kaputtlachen, als würden wir die verarschen.

Aber damals war das komplett neu. Wir waren die Sensation. Ich habe meinen ersten Drop-in vor 200 Zuschauern gemacht. Es konnte ja keiner so richtig fahren, wir mussten uns das ja selbst erarbeiten und oben hatten wir noch keine Plattform. Wir hatten so lange Stangen, die guckten oben raus, so konnte man sich dran festhalten an der Half-Pipe und dann stand man auf so einem zehn, 15 Zentimeter breiten Balken. Dann steht man da, will den ersten Drop-in machen, hält sich fest und der erste klappt natürlich nicht. Man fällt hin, hat zu viel Rücklage. Das Brett schießt raus, die Zuschauer haben das Brett ganz schnell geholt, weil die wollten ja Blut sehen und dann kamen die immer wieder. Dann bin ich wieder hoch und war dann angespornt von denen. Als ich den dann am fünften oder sechsten Mal gestanden bin, da habe ich einen Applaus gekriegt. Ich glaube, da träumt jeder Skateboarder von, beim schwersten Trick der Welt, so einen Applaus zu kriegen. Und ich habe den dann für so einen blöden Drop-in gekriegt, nur weil ich wie ein Skateboarder war, immer auf die Fresse fallen, aufstehen und dann war der Erfolg auch da.“

… Skate-Aid und Unternehmertum

 „Ich denke, ich bin auch noch Unternehmer, aber im ganz anderen Bereich. Meine erste Leidenschaft waren immer schon Autos. Und ich habe mein ganzes Studium mit Entenschrauben finanziert. Und ich habe auch immer noch eine Titus Dittmann GmbH, die ganz stark auch mit Autos arbeitet. Und Ralle hat mich dann als Markenbotschafter vermarktet. Man muss ja irgendwo von leben, um im gemeinnützigen Bereich die Kohle zu haben und die Power zu haben, dort ehrenamtlich zu arbeiten und diesen Skateboardgedanken weiterzubringen. Dafür brauche ich ja irgendwo auch eine Einnahmequelle.
Deswegen bin ich froh, dass mein Gesicht inzwischen so bekannt ist, dass ich inzwischen Citroën-Markenbotschafter bin oder auch meine Leidenschaft mit Oldtimern weiterleben kann und das alles miteinander verbinde und dann auf Oldtimerveranstaltungen bin oder selber welche organisieren, wo wir wieder Fundraising betreiben fürs Skateboarden aus der Autoszene usw. Natürlich auch Fundraising im privaten Bereich, wo ich meine Freunde einlade und auch bekannte Gesichter, die man so kennt. Und dann gibt es halt die ‚Dittmann Matinee‘ bei mir im Garten, wo einmal im Jahr Spenden gesammelt werden oder die Skate-Aid-Night im Skaters Palace in Essen. Ich versuche alle meine anderen Engagements, wo ich noch Unternehmer bin, zugunsten von Skate-Aid zu organisieren und wo ich ganz stolz drauf bin. Skate-Aid ist ja ein gemeinnütziger Brand, ein Social Brand und wird von einer Titus-Dittmann-Stiftung gehalten.
Die Titus-Dittmann-Stiftung vergibt kostenlose Lizenzen an Vereine, die dann nach dieser Satzung, die die Stiftung hat, also im Sinne von Skate-Aid auch diese Gemeinnützigkeit weiter betreibt.

Also “Skate-Aid at School”, da gehen wir mit Minirampen an Schulen und machen bei Projektwochen Skateboardworkshops oder wir machen ‚Skaten statt Ritalin‘ mit Ärzten zusammen.
Über meinen Lehrauftrag an der Uni Münster habe ich es geschafft, auch ein paar Professoren zu motivieren, ein Forschungsprojekt zu machen. Und wir haben Kinder mit ADHS-Diagnose vorher getestet, mit Highspeedkameras und was weiß ich alles. Und sind dann ein halbes Jahr mit denen Skateboard gefahren, dann wieder getestet. Die Ergebnisse werden gerade zusammengeschrieben, inwieweit das jetzt ihre Selbstkontrolle und die motorische Entwicklung beeinflusst.
Wir haben aber auch versucht, soweit es geht, Sozialkompetenz zu messen. Wie das Skateboarden jetzt eine Gruppe beeinflusst, in der man freiwillig miteinander umgeht, das verursacht ja auch Sozialkompetenz.
Das ist ja was anderes, wenn man in einem Team wie in einer Fußballmannschaft ist und sich unterordnen muss. Das ist auch sehr sinnvoll, in der Gesellschaft auch zu lernen, dass man einem Team dienen muss. Aber beim Skateboarden ist das ja anders. Da sitzt so ein Kind in der Ecke und sagt: ‚Boah, wie muss ich mich denn verhalten, damit ich da an dem Hotspot, bei diesen coolen Kids, bei dieser coolen Gang mitfahren darf?
Und dann denkt er über sein eigenes soziales Verhalten nach, und wie das auf die anderen wirkt. Oder die Kognition, inwieweit jetzt diese Erfolgserlebnisse beim selbstbestimmten Lernen sich auch positiv auf das kognitive Verhalten beim fremdbestimmten Lernen in der Schule auswirken. Und da haben wir überall sehr, sehr gute Fortschritte gemacht.
Um das alles finanzieren zu können, bin ich auf die Idee gekommen und habe unter der Titus Dittmann GmbH eine ganz normale kommerzielle GmbH, die heißt Skate-Aid Support GmbH gegründet und ich sage mal provokativ, die ist doppelt gemeinnützig, denn die macht mit Skate-Aid Kohle und zahlt dafür Steuern. Das ist der erste gemeinnützige Akt, und da es zu 100 % Tochter ist, gehen die ganzen Gewinne in die Stiftung und die Stiftung ist wieder verpflichtet, das ganze Geld, was sie damit an Gewinn macht, wieder in diese gemeinnützigen Projekte zu stecken. Und so bringe ich meine unternehmerischen Erfahrungen aus den letzten vier Jahrzehnten einfach auch in die Gemeinnützigkeit rein, weil viele haben da ja so Berührungsängste und ich finde, das ist das Optimum, was ich machen kann, wenn ich auch ja unternehmerisch und kommerziell tatsächlich es schaffe, mit Skate-Aid gewisse Rendite zu machen, die dann zu 100 % wieder in die Projekte gehen. Und ich mache das natürlich alles ehrenamtlich, ich muss ja sauber bleiben.

Und deswegen gibt es inzwischen von Skate-Aid tatsächlich Vans, wo es draufsteht. Und dann kriegen wir da eine Provision ab. Es gibt Skateboards, es gibt Rollen, es gibt Skate-Aid eigentlich in allen Bereichen, es gibt Limonade, wo wir was von abkriegen usw. Alles, was irgendwie möglich ist.  Mit diesem Skate-Aid Image, dass wir einem Unternehmen als CSR geben, dass es das kommunizieren kann. Und wenn das Unternehmen das als Sponsoring macht, dann dürfen wir auch für das Unternehmen werben. Und deswegen ist es manchmal leichter, dann das Geld zu kriegen. Und für das Unternehmen hat das Sponsoring dieselben steuerlichen Vorteile, als wenn die eine Spende machen. Aber wenn wir für die Spende dann als gemeinnützige Organisation Werbung machen und sagen: ‚Hey, der ist so gut, der hat uns die Spende gegeben.‘ Dann müssen wir die Spende versteuern, weil die darf keine Gegenleistung haben. Und deswegen ist das eine so super Idee, finde ich, einfach offen im Sinne und im Dienste für Skate-Aid auch weiter Geschäfte zu machen. Und ich muss ganz ehrlich sagen, es macht mir noch mehr Spaß für Skate-Aid die Kohle zusammenzubringen, als für mich selber.“

… Skateboarden bei den Olympischen Spielen

„Zunächst muss ich mal sagen, ich bin gar kein Kritiker, nie ein Kritiker gewesen, wenn Skateboarden olympisch wird. Ich habe einfach weiter gedacht oder einfach die Realität gesehen. Und ich habe lediglich gesagt: ‚Wenn Skateboarden olympisch wird, wird es das Skateboarden verändern.‘ Und das ist eine ganz neutrale Aussage. Und ich bin der Meinung, das ist einfach der Gang der Dinge. Da wird niemand etwas dran ändern können. Auch wir haben ja schon Skateboarden ein bisschen geändert, indem wir einen “Münster-Monster-Mastership” gemacht haben und plötzlich, auch wenn da andere Dinge noch im Vordergrund standen, diese ästhetische Gesinnungsgenossenschaft, aber es war ja auch ein Wettbewerb, wo die ganze Welt zusammengekommen ist und wo Weltklasseleistungen gebracht wurden. Also das hat schon Skateboarden verändert und auch die ganzen anderen Contests, die alle schon stattgefunden haben. Und Skateboarden wird natürlich immer breiter. Und je mehr Skateboarden natürlich in der normalen Gesellschaft akzeptiert wird, je mehr sich Skateboarden kommerziell weiterentwickelt, je mehr Skateboarden sich leistungssportmäßig weiterentwickelt, desto mehr verliert logischerweise das Skateboarden dieses rebellische Ausdrucksmittel, mit dem Jugendliche damals ihre Identität gefunden haben. Das war ja Anti-Establishment am Anfang.

Und wenn das Establishment und das ganze System natürlich dieses Ausdrucksmittel schluckt, ja, dann ist natürlich klar, dass die Kraft auf der Seite verloren geht. Aber das formuliere ich neutral, weil das in meinen Augen als alter Sack einfach ein ganz normaler Gang der Dinge ist, warum soll man sich darüber aufregen? Und der Grund, weshalb ich mich ein Jahr lang zum World Chairman of Skateboarding habe einspannen lassen im Sinne des IOC, das war mit derselben Argumentation, mit der ich damals im Business Gas gegeben habe. Und wenn sich Leute aufgeregt haben: ‚Oh, du tust das kommerzialisieren, das Skateboarden.‘ Dann sage ich: ‚Ey Leute, das ist genau umgekehrt. Ich mache es auch deswegen, weil ich möchte das Skateboarden nicht den großen Konzernen überlassen, die es damals auch schon gab. Wir haben Skateboarden verstanden und deswegen ist doch besser, wenn Skateboarder das Geschäft machen.‘
Das war meine Argumentation und meine Motivation, an dem Business auch noch richtig Gas zu geben. Mit demselben Gedanken habe ich gedacht: Okay, wenn du ein Teil dann dieser Entwicklung bist, dass es olympisch wird, vielleicht kann ich dort auch ein bisschen Einfluss nehmen. Dass die Herren, meistens sind es Herren im Olympischen Komitee, dass die verstehen, was Skateboarden für Jugendliche bedeutet und was das eigentlich auch für ein Freiheitszeichen immer für Jugendliche war und das plötzlich so einzuzwängen, in die gleiche Kleidung und einer muss die Fahne vorne wegtragen, das ist ist ja alles prima. Ich sage das ja nicht negativ, aber dieser Grundgedanke, dass Skateboarden für die Jugendliche so wichtig war, der wird darunter leiden. Und vielleicht kann ich da sogar den Offiziellen klarmachen, dass man jetzt Skateboarden nicht genauso behandelt wie Hammerwerfen oder Speerwerfen oder wie auch immer, sondern dann dieser Geist des Skateboardens etwas mehr berücksichtigt wird. Nur ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe mir nicht vorgestellt, wie groß, wie mächtig, was das für ein Riesenbusiness ist und wie wenig da teilweise die Menschen, auch die einzelnen Sportarten überhaupt interessiert. Da geht es gar nicht drum, sondern es geht um ein Riesenrad, was man vermarkten muss und das wird sich so weiterdrehen. Und ob da der kleine Titus hinkommt und sagt: ‚Ihr Großen, Skateboarden ist was ganz Besonderes, bitte verheizt es nicht. Und bitte verschult es nicht.‘ Da habe ich eingesehen, da kann ich eh nichts bewegen. Und dann habe ich wieder das gemacht, was mir Spaß macht, nämlich mich auf die Kids konzentriert. Und als pädagogisches Werkzeug benutze ich das jetzt. Und es wird auch noch funktionieren, solange ich lebe.“

Nicht gucken, machen!

Contestdisziplinen im Skaten der späten 1970er-Jahre

Titus, der Paukerschreck

Sei (nicht) wie Titus

 Begeisterung als Lebens- und Unternehmensphilosophie


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: