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Walfried König

Walfried König

*1938
Leitender Ministerialrat im für Sportpolitik zuständigen Ministerium der Landesregierung NRW

Von 1975-2001 arbeitete Walfried König für die Landesregierung NRW. Seine Arbeit widmete er u.a. der Vernetzung von Sportpolitik und Sportwissenschaft.

Kurzbiografie

  •  Geboren 1938 in Bad Oyenhausen
  • Studium der Romanistik, Sportwissenschaft, Philosophie und Pädagogik in Freiburg i.Brsg., Grenoble, Münster und Hamburg; 1.Staatsexamen 1964
  • bis 1974 Referent für die Schulfächer Sport und Französisch
  • 1975 – 2001 Tätigkeit im für Sportpolitik zuständigen Ministerium der Landesregierung NRW
  • seit 1989 Lehrauftrag an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) Köln, Fachgebiet: Sportpolitik
  • 1986 Bundesverdienstkreuz am Bande
  • ab 1992 beratende Tätigkeiten im Büro des Sports bei der Europäischen Union
  • 2005 Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen

Walfried König über …

… den Sport der Nachkriegsjahre in Ostwestfalen

„Ich bin 1944, also im letzten Kriegsjahr, in die Schule gekommen. Sie können sich vorstellen, dass das erste Schuljahr ständig unterbrochen war durch Bombenangriffe auf meinen Heimatort, der ein Verkehrsknotenpunkt in Ostwestfalen war. Also bin ich dann viereinhalb Jahre lang zur Grundschule gegangen, in Obernbeck, einem Dorf, das eigentlich zusammengehörte mit dem Ort Löhne und dort wohnte ich nun sehr nahe an dem einzigen Sportplatz im Ort. Ich erreichte ihn durch unseren Garten und über einen Acker. Und dort haben wir natürlich gespielt, all die Kinder in diesem Ortsteil, mit denen ich zum Teil dann aber auch den Schulweg gemeinsam erledigte, indem wir einen kleinen Hartgummiball oder auch nur ein Wollknäuel kreuz und quer über die Straße spielten, was damals problemlos möglich war.

Ein Sportunterricht gab es in jener Zeit nicht. Das änderte sich erst, als ich 1949 als einziger Junge aus diesem Dorf ins Gymnasium Bad Oeynhausen wechselte. Dort gab es zwar Sportunterricht unter Leitung eines deutlich in die Jahre kommenden älteren Herren. In der Stundentafel standen zwei Sportstunden pro Woche, die aber nur zeitweilig erteilt wurden. Genauer gesagt, nur bei schönem Wetter, weil es überhaupt keine Sporthalle gab. Denn die einzige in Bad Oeynhausen verfügbare, war von der englischen Besatzungsmacht, die dort ihr Hauptquartier eingerichtet hatte. Sie wurde erst wieder frei, als dieses Hauptquartier nach Mönchengladbach-Rheindahlen verlagert wurde, Mitte der Fünfzigerjahre. Was wiederum bedeutet, dass ich in jener Zeit eine Halle erstmalig von innen gesehen habe. Das war also etwa 1954/1955.

Entsprechend qualifiziert sah da meine Turnkunst aus, als ich dann meine Aufnahmeprüfung für das Sportstudium in Freiburg machen musste. Aber zuvor hatte ich natürlich schon eine gewisse sportliche Laufbahn gehabt in dem Verein, der als einer von zwei Vereinen in diesem Dorf existierte. Es war ein Turnverein, in dem auch Handball gespielt wurde. Geturnt wurde in einem Wirtshaussaal. Dort habe ich leichtsinnigerweise auch mal einen Nachmittag lang zu boxen versucht, aber habe das nach dem allerersten Versuch auch aufgegeben. Dafür war mir das Fußballspielen mit all den Jungen aus meinem Dorfteil viel zu lieb. Wir hatten natürlich unsere Straßenmannschaften und spielten gegeneinander. Das Lebensalter spielte dabei keine Rolle. Drei kleine galten so viel wie ein älterer. Und so entwickelte sich langsam eine gewisse Qualität, die mich dann etwa im Alter von zehn, elf Jahren in die sogenannte Schülermannschaft des Vereins führte, heute heißt das D-Jugend. Darunter gab es damals noch nichts. Also E oder F oder G waren völlig unvorstellbar. Genauso unvorstellbar war natürlich die Teilnahme irgendwelcher Mädchen. Aber dieses Spielen mit älteren, das hat natürlich sehr geschult. Und so spielte ich dann mit 13, vielleicht auch 14 Jahren zum ersten Mal in der Mannschaft meines Gymnasiums, wiederum natürlich mit wesentlich älteren. Wurde dann bald darauf in die Kreisauswahl von Herford berufen, dann ein, zwei Jahre später auch in die Ostwestfalen-Mannschaft und konnte jeweils auch ein paar Spieler meiner Mannschaft nachziehen. Später habe ich in mancher Rede, eben auch in denen für die Minister geschriebenen Reden darüber gespottet, dass jeder in seiner Jugend ja mal Kreismeister gewesen sei, also für mich trifft das in der Tat zu. Ja, das waren so die ersten Kontakte in den organisierten Sport hinein.“

… seine Wahrnehmung zu verbandlichen Strukturen in den 1950er-Jahren

„Für die Jugendlichen spielte die Sportorganisation noch keine wesentliche Rolle. Das änderte sich erst durch die Berufung in die Ostwestfalenauswahl. Da habe ich begriffen, dass es Gremien gab, die für solche Regionen zuständig waren. Und mehr natürlich auch durch die Einladung zu Auswahllehrgängen in die Sportschule Kaiserau, wo ich dann begriffen habe, dass der Westfälische Fußball- und Leichtathletik-Verband dort ein großes Domizil hatte mit eigenen Trainern und wunderbaren Plätzen, die ich aus meinem Heimatort überhaupt noch nicht kannte. Denn bei uns gab es einen Platz, der bestand zur Hälfte aus Asche und zur anderen Hälfte aus wucherndem Rasen. In Kaiserau gab es schon gepflegte Rasenflächen. Ja, und darüber hinaus hatte die Sportschule den großen Vorzug, eine wunderbare Verpflegung anzubieten, wo man dann als Jugendlicher die Wurst oder auch den Käse gleich in zwei Schichten aufeinanderlegen durfte. Und da wurde mir klar, dass diese Verbände ein gewisses Eigengewicht haben und auch ein Eigenleben haben.
Und diese Kenntnis erweiterte sich dann sukzessive im Laufe meiner weiteren Entwicklung. Da ich dann ja auch im Alter von 22 Jahren nach Kaiserau zurückgekehrt bin, um da meine Trainerlizenz zu erwerben. Da hatte ich nun endgültig begriffen, dass den Verbänden doch eine Funktion zukommt, von der wir Jugendlichen natürlich einfach nichts wussten.
Wie auch der ADH, der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband. Der tauchte bei mir zum ersten Mal auf bei Siegerehrungen. Vorher wusste ich, da gibt es irgendjemand, der das organisiert. Und ich wusste auch, die haben eine Nationalmannschaft, aber, ach, das interessierte mich alles gar nicht.“

… die Anfänge der Sportpolitik im Kultusministerium

„Ich bin dann im Januar 1975 in Düsseldorf tätig geworden. Ich war für den Sport hier im Lande natürlich ein unbeschriebenes Blatt. Aber es war für mich nützlich, dann doch immer wieder sagen zu können ‚Liebe Leute, ich bin nicht einfach nur der Mann, der am Büroschreibtisch Innenministerium sitzt, sondern ich habe auch eine Trainerlizenz.‘ Ich habe Spieler-Erfahrungen, und ich habe auch mehrere Jahre in Vorständen eines Landesverbands und eines Landessportbundes hinter mir. Und darüber hinaus zähle ich zu den Gründern des Freiburger Kreises. Also sie können davon ausgehen, dass sich die Situation von Vereinen und Verbänden kenne. Und zwar mit dem, was sie zu leisten vermögen, aber auch mit dem, wo sie an ihre Grenzen stoßen, also, wo sie mit Problemen zu kämpfen haben. Und ich sehe meine Aufgabe darin, diesen Vereinen mit den Möglichkeiten zu helfen, die ich nun in dem für Sport zuständigen Ministerium habe, das war zu jener Zeit das Kultusministerium. Doch wer waren wir im Kultusministerium?

Wir waren zunächst nur ein paar einzelne Referate, zuständig für den Schulsport und ein bisschen auch für die anderen Sportangelegenheiten, soweit ein Schulministerium sich darum zu kümmern, das Recht für sich beansprucht.
Natürlich hatten wir auch schon ein Referat, dass sich um Finanzangelegenheiten kümmerte. Und so wurden wir dann als eine Einheit von zunächst nur vier Referaten – nach meiner Erinnerung, möglicherweise auch schon fünf – zu einer sogenannten Gruppe innerhalb einer Schulabteilung. Nicht mehr. Wir hatten einen Abteilungsleiter, der sich vorrangig natürlich mit allgemeinen Angelegenheiten der schulischen Entwicklung zu befassen hatte.
Das hatte Vor- und Nachteile. Den Nachteil, dass er sich natürlich für Sportangelegenheiten weniger interessierte, aber auch den Vorteil, dass wir große Freiheit hatten, das zu tun, was Johannes Eulering und ich für erforderlich hielten. Und von diesem Recht und von dieser Möglichkeit haben wir großzügig Gebrauch gemacht, wobei wir von Anfang an uns als ein Gespann gesehen haben, wo er der Vorgesetzte war, als neuberufener Gruppenleiter und ich eben Referatsleiter für den Schulsport und den Hochschulsport und ein paar andere Dinge, die dazu gehörten. Nun darf man dazu nicht vergessen, dass der Sport in jener Zeit auch in der politischen Wertung einen weiten Weg zu absolvieren hatte.“

 

… das Aktionsprogramm Breitensport

„Neben den Behinderten oder chronisch Kranken will ich noch erwähnen, dass die Erfahrungen, die wir mit dem Programm für Infarktrehabilitanten gemacht haben, uns auch sehr genützt haben bei unserer Absicht, Sport für Diabetiker einzuführen. Das ging allerdings nicht genauso direkt wie bei den Infarktpatienten, weil es keine hinreichenden wissenschaftlichen Grundlagen dazu gab. Wir mussten also erst ein Forschungsprojekt in Auftrag geben. Das haben wir dann an die Universität Paderborn vergeben, wo einer meiner früheren Studienkollegen aus Freiburg für die Medizin zuständig war, der auch gleichzeitig Präsident der deutschen Diabetologen-Gesellschaft war. Also eine zufällige Fügung und Wolf-Dieter Brettschneider, der erstgenannte war Professor Dieter Grüneklee, hat dann den sportlichen Teil übernommen in einem Projekt, das zwei Jahre gedauert hat. Bei dessen Abschluss wussten wir auch, dass für Diabetiker dieser Sport eingeführt werden kann. Natürlich unter Bedingungen, und zwar eben auch unter der Bedingung der Verfügbarkeit von Notfallgeräten, die wir dann bis zu 50 Prozent finanziell gefördert haben. Sowie alle diese Bemühungen, die wir gestartet haben, immer auch darauf hinausliefen, neu gegründete Organisationseinheiten auf Sportvereine zuzuführen. Das haben die Sportorganisationen nicht immer von Anfang an verstanden. Sie haben zum Teil geglaubt, hier solle ein neuer kommunaler Sport aufgebaut werden. Diese Auffassung war falsch von Anfang an. Denn wir haben immer gesagt, wir wollen es nutzen, dass das regelmäßige Sporttreiben in Sportvereinen eben doch stabilisierend wirkt und natürlich auch diese Sozialkontakte bringt, die wir uns wünschen. Das kann bei Angeboten anderer Anbieter, wie kommunale Sportämter oder wer auch immer sich dann meldete, um solche neuen Aktivitäten in einem Ort aufzubauen, nicht von vornherein angenommen werden. Aber das Ziel ist immer wieder dasselbe: Es sollte Richtung Verein gehen.

Das galt dann eben auch für Projekte, die nicht alle gelungen sind. Wir haben versucht, den Hochschulsport den Vereinen näher zu bringen. Zum Teil mit einfachen Maßnahmen, nämlich Öffnung der Hochschulsportstätten für die örtlichen Vereine unter der Bedingung, dass die Kommunen auch wiederum ihre Sportstätten für die Hochschulen öffneten. Aber dann auch ein Projekt wie ‚Sport für Schichtarbeiter‘. Bezeichnenderweise sprechen die Belgier hier von ‚troix fois huit‘ also dreimal acht Stunden. Das macht ja deutlich, dass man mal in einer dieser drei Einheiten arbeiten muss, in einer Einheit schlafen muss und nur ein kleiner Rest übrigbleibt, der aber in unterschiedlichen Tageszeiten stattfindet. Und dass man dann Schwierigkeiten hat, am Vereinsleben teilzunehmen. Also haben wir ein solches Projekt versucht in Hattingen mit einer dort beheimateten großen Firma. Das hat nicht so gut geklappt.

Dann haben wir uns der Immigranten angenommen. Wer in Nordrhein-Westfalen ankam, in einem Lager, und dann von dort aus weitergereicht wurde, in einzelne Orte, wurde in dieser Zentralstelle zunächst mal auch mit Sport konfrontiert und kriegte anschließend Adressen von Sportvereinen der Orte, in die er dann weitergeleitet wurde. Weitere Aktivitäten galten dem Strafvollzug und so weiter. Also alle diese verschiedenen Gruppen wurden mit dem jeweils erreichten Arbeitsstand in diesem Aktionsprogramm Breitensport angesprochen. Der Stand wurde beschrieben und er konnte nicht überall gleich sein. Daraus erklärt sich auch, wenn man dieses Textchen heute liest, der unterschiedliche Ausführlichkeitsgrad. Ich habe nachgelesen, dass wir Anfang der 80er Jahre irgendwann mal sagen konnten bei der Berichterstattung im Landtag, dass wir gegenwärtig gerade […] auf 13 verschiedenen Arbeitsfeldern tätig seien. Alle bezogen eben auf diese soziale Offensive, die der Regierungspolitik ja damals auch voll und ganz entsprach. Wobei ich Anlass habe zu sagen, dass die Minister Jürgen Girgensohn und Hans Schwier und ihre Staatssekretäre uns niemals irgendwelche Schwierigkeiten gemacht haben, uns immer wieder unterstützt haben, unsere Organisationseinheit im Ministerium auch weiter aufgebaut haben.“

… die Sportministerkonferenz

„Wir waren auch maßgeblich beteiligt, nicht nur an der Weiterschreibung des Aktionsprogramms für den Schulsport im Jahr 1984/85, wo ich dann die Federführung hatte auf der staatlichen Seite, während Ommo Grupe die Federführung hatte auf der Seite der Sportorganisationen. Er war damals Vizepräsident des DSB, sondern wir waren auch maßgeblich beteiligt an den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz zur Talentsichtung und Talentförderung. Sodass unsere Erfahrungen, wie auch die Erfahrungen aus Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, das waren eigentlich die führenden Länder, festgeschrieben und auch in andere Bundesländer übertragen wurden. Dieses spielte natürlich nicht nur eine Rolle in der Kultusministerkonferenz, sondern mehr und mehr auch in der Sportministerkonferenz, die wir im Jahr 1977 in Düsseldorf gegründet hatten. Es war also eine ausschließlich von Nordrhein-Westfalen ausgehende Initiative, zunächst einmal die Staatssekretäre der anderen Länder einzuladen, um eine solche neue Konkurrenz zu gründen, parallel zur Kultusministerkonferenz und Finanzministerkonferenz und so weiter und anschließend dann auch die Minister hierzu einzuladen. Da die Staatssekretäre ‚Ja‘ gesagt hatten, haben wir dann die erste Ministerkonferenz im Jahre 1976 in Bonn durchgeführt unter Leitung des nordrhein-westfälischen Kultusministers Jürgen Girgensohn. Und wir waren praktisch zehn Jahre lang immer wieder entweder Vorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender dieser Sportministerkonferenz, die sich mehr und mehr konsolidierte, bevor sie dann in der Mitte der 80er Jahre in den Vorsitz-Wechselrhythmus einmündete, den wir aus der Kultusministerkonferenz übernommen haben. Allerdings mit dem Unterschied, dass in der Sportministerkonferenz der Rhythmus nur alle zwei Jahre wechselt. Aber in dieser Sportministerkonferenz wurden dann wirklich alle Fragen thematisiert, die man vorher im Kultusbereich nicht so sehr hatte thematisieren können. Also die Fragen der Sportstätten mit den Bestandsaufnahmen beziehungsweise mit den Stellungnahmen zu den weiter geschriebenen Texten zum Goldenen Plan, mit der Entwicklung des Leistungs- und Spitzensports, mit Sportinitiativen in den verschiedenen anderen Feldern und eben auch mit Stellungnahmen zur europäischen Sportpolitik, wo Nordrhein-Westfalen dann die Federführung hatte von 1975 bis 2001 – 27 Jahre lang durch mich als Person wahrgenommen. Mit anderen Worten: Hätte ich das Land noch einmal gewechselt, dann hätte ich diese Position in ein anderes Bundesland mitgenommen. Es war trotzdem das Verdienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich gehörte ja schließlich dieser Regierung hier an, beziehungsweise der Verwaltung, und das Land hat mir die Möglichkeit gegeben, die Wahrnehmung der Interessen aller Länder auch durchzuführen im Hinblick auf Europarat, Europäische Union und die UNESCO.“

Sportpolitische Wende um 1970

Sportministerkonferenz

Sportpolitische Aktivitäten der 1980er-Jahre


Hier finden Sie in Kürze das vollständige Interview im PDF-Format: