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Werner Stürmann

*1950
Abteilungsleiter Sport im Kultus-Ministerium NRW

Werner Stürmann begann seine politische Karriere als kommunistischer Berufsrevolutionär und wurde später Pressesprecher der Grünen sowie Mitgestalter der Sportpolitik im Kultusministerium des Landes NRW.

Kurzbiografie

  • Geboren 1950 in Hamburg
  • 1962-1968 Mitglied beim Hamburger Sport-Verein e. V.
  • 1970 Schulabschluss: Abitur
  • 1970-1973 Hafenkontrolleur
  • 1973-1984 Diverse Funktionen innherlab der Organisation „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“ (SDAJ)
  • 1979-1984 SDAJ-Bundesvorsitzender
  • 1981-1989 Präsidiumsmitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)
  • 1990 Eintritt in die Grünen
  • ?-1992 Tätigkeit als Journalist
  • 1992-1995 Pressesprecher der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion der Grünen
  • 2001-2016 Abteilungsleiter Sport in drei verschiedenen Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen
  • 2001-2003 Aufsichtsrat der Düsseldorf Rhein-Ruhr 2012 GmbH
  • 2001-2016 Präsidiumsmitglied im Landessportbund Nordrhein-Westfalen
  • 2001-2017 Mitglied in Gremien der Sportministerkonferenz
  • 2003-2016 Vorstand der Sportstiftung Nordrhein-Westfalen

Werner Stürmann über …

… Sportlandschaft im Hamburger Raum der 1950er- und 1960er-Jahre

„Mit meinem Großvater bin ich zum Beispiel auch zum Schwimmen gekommen. Ich bin sehr oft im Freibad gewesen oder bin in diesen Ziegelteichen auf dem Dorf geschwommen. Und dann habe ich auch meinen Freischwimmer gemacht, in Hamburg, im Holthusenbad. Da sind wir immer hingefahren, von der Schule aus. Ein sehr langer Weg, eine Dreiviertelstunde, um dahin zu kommen. Den Freischwimmer, dann den Fahrtenschwimmer, den habe ich in Delmenhorst bei Bremen gemacht, weil mein Großvater von dort stammte. Also habe ich mich an verschiedenen Sachen orientiert, und da muss ich noch etwas sagen: In Hummelsbüttel an der Alster gibt es eine bestimmte Zone, wo die Reichen wohnen. Und da ist ein berühmter Hockeyclub, der UHC, der da heute noch residiert. Dort bin ich oft gewesen, habe Tennis zugeguckt oder als Balljunge gewirkt, um mein Geld zu verdienen, und auch Hockey gespielt, ohne Mitglied des Vereins zu sein.

Und dann habe ich gesagt: Ich will das auch mal im Verein machen. Aber Hockey war nicht bezahlbar. Der Hockeyclub ist teilweise heute noch so, da muss man schon viel Geld aufbringen. Das konnten wir nicht. Aber im Hamburger Sportverein, den ich als Fußballverein positiv verfolgt habe, da gab es eine Hockeyabteilung. Und deswegen bin ich zum HSV gegangen, bin erst mal Mitglied der Hockeyabteilung geworden und habe dort, ich weiß nicht, ich glaube, ein Jahr gespielt – in der Halle und draußen auch, auf dem Trainingsgelände in Hamburg-Norderstedt. Das ist eigentlich schon nördliches Schleswig-Holstein, war aber HSV-Gelände, mit unendlich vielen Fußballfeldern, aber auch Hallen für Handball und einer Hockeyanlage. Das habe ich dann gemacht. Irgendwann merkte ich aber, es ist nicht mehr so mein Ding, und ich bin zum Handball gewechselt. Das habe ich sehr systematisch gemacht.

Ich habe noch im Feld gespielt, also das waren weite Wege. Ich habe auch am Rothenbaum gespielt, da, wo sonst HSV-Fußball gespielt hat. Auf dem Feld spielten wir damals als Jugendmannschaft. Ich war fanatisch hinter dem Handball her. Damals musste man in der Schule Jahresarbeiten machen, und ich habe eine Jahresarbeit auf der Realschule über Handball gemacht – mit Fotos, wie welche Würfe anzusetzen sind und so weiter. Das habe ich gemacht, und das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ja, und dann habe ich in Hamburg beim HSV lange Zeit Handball gespielt.“

… Literatur und ein 1968er Roadtrip durch Europa

“Das war allerdings teilweise unterbrochen durch längere Arbeitszeiten. Ich war mal Briefträger oder habe in einer Spedition gearbeitet oder war Bote beim Axel-Springer-Verlag, einfach um Geld zu verdienen. Und zwar Bote, nachdem ich 1968 den Springer-Verlag in Hamburg mit blockiert hatte.

Ich habe Pädagogik und Soziologie angefangen zu studieren, aber ohne großes Interesse. Mein Interesse lag eher außerhalb, und ich fand auch das, was an der Universität gelehrt wurde, ziemlich langweilig. Das, was ich selbst las, fand ich viel interessanter. Ich habe Karl Marx wirklich studiert – richtig studiert, Das Kapital rauf und runter. Ich bin damals in eine Wohngemeinschaft gezogen, und da hatte ich einen Mitbewohner, der versucht hat, Das Kapital in mathematische Formeln zu übersetzen. Das ist natürlich Unsinn, war aber so. Das war unsere Welt, in der wir uns bewegten. Auch die Frankfurter Schule natürlich: Adorno, Horkheimer. Ich habe die Bücher größtenteils heute noch. Ich habe alles rauf und runter gelesen: Ernst Bloch, die Philosophen, Georg Lukács, die Klassiker der Philosophie: Ich habe Hegel gelesen und Kant. Und ich habe immer versucht, das in einen marxistischen Kontext zu bringen. Das war für mich alles. Das war meine Welt. Und ich muss noch sagen: Ich wollte unbedingt erfahren, was auf der Welt passiert. Ich musste mir das aneignen.

Ich bin mit einem Freund, das ist noch eine Anekdote, 1968 in den Sommerferien getrampt – von Hamburg erst nach Amsterdam. Da haben wir eine Woche geschlafen, sind dann nach Antwerpen, nach Lille, nach Paris. In Paris haben wir über drei Wochen gelebt und wirklich auf den Parkbänken an der Seine übernachtet. Wir wollten 1968 die Revolution miterleben. Das Problem war: Die war schon vorbei. Die Straßen wurden asphaltiert, es war nichts mehr zu machen, alles ruhig. Aber das war unser Interesse. Schließlich sind wir per Anhalter zurück über die Grenze nach München. Dann hatten wir keine Lust mehr, weiter zu trampen. Wir hatten nicht genug Geld für die Fahrkarte nach Hamburg, aber gerade genug, um eine Fahrkarte zu meiner Oma nach Wien zu kaufen. Die hat uns dann das Geld für die Rückreise nach Hamburg gegeben. Damals gab es ja kein Handy oder so etwas. Wir waren völlig allein. Meine Eltern wussten nicht, was mit mir ist. Gar nichts. Das war meine Welt damals – und das war gut.

1970 bin ich in die FDJ und in die DKP eingetreten, als Student. 1972 habe ich das Studium abgebrochen, weil man mir sagte, ich könne Berufsrevolutionär werden. Dazu musste man aber einen Arbeitsnachweis erbringen, man musste sozusagen zum Proletariat gehören und Erfahrung im Proletariat haben. Also habe ich eine Lehre als Industriekaufmann bei der Firma Konz, die zum Demag-Konzern gehörte, angefangen. Da bin ich aber schon in der Probezeit rausgeflogen, weil ich unvorsichtigerweise einen Streik der Lehrlinge organisiert hatte. Das empfiehlt sich nicht unbedingt. Danach habe ich eine Stelle als Hafenkontrolleur im Hamburger Hafen bekommen und bin richtig Schicht gefahren.“

 

… die Arbeit eines „Berufsrevolutionärs“

„Es ging vor allem darum, die außerparlamentarische Bewegung zu verstärken und zu entwickeln. Diesen Teil bedauere ich am wenigsten. Wir haben gekämpft für eine bessere Berufsausbildung, das stand sehr im Zentrum. Wir warben für höhere Löhne, haben die Gewerkschaften unterstützt. Wir haben für mehr Demokratie gekämpft, damals auch gegen Berufsverbote, ganz am Anfang noch gegen die Notstandsgesetze. Das war noch vor der DKP-Zeit. Wir haben uns solidarisch gezeigt mit den Freiheitskämpfern des ANC in Südafrika. Es ging also um Bewegung in einem sehr breiten Sinne, und besonders aufgegangen sind wir in der Friedensbewegung Anfang der 80er-Jahre. Da haben wir alles reingelegt. Ich bin immer wieder auf Kundgebungen aufgetreten, auch 1981 bei den 300.000 in Bonn. Es gibt noch ein schönes Foto, auf dem ich mit Heinrich Böll und Petra Kelly auf der Bühne stehe. Daran erinnere ich mich sehr gern. Aufgabe war es auch, für diese Bewegung Bündnisse herzustellen. In dieser Zeit habe ich eine enge Beziehung zu Gerhard Schröder unterhalten. Wir waren per Du, und ich war oft bei ihm privat zu Hause. Wir haben über viele Dinge diskutiert, auch sehr persönliche. Auch mit anderen bekannten Leuten, wo also das Politische ins Persönliche überging. Die Bewegung zu organisieren war entscheidend. Natürlich gab es auch das ideologische Ausrichten, die Schulung und Ähnliches, aber das war ehrlich gesagt nicht mehr mein Ding. Für mich war das andere wichtiger.

Die Kontakte zur Grünen Liste waren ein schleichender Prozess. Als ich 1979 Bundesvorsitzender wurde, musste ich eine Rede halten. Die Rede war vier Stunden lang, das war damals üblich. Ich hatte einen Redeentwurf, für den ich mich zurückgezogen habe. Wir hatten Ferienwohnungen bei Husum, und es gab schon Jahre zuvor die Studie des ‚Club of Rome‘ und andere Berichte, die die ökologische Frage ins Zentrum stellten. Das hat mich sehr bewegt. Ich habe den Entwurf dieser Rede stark nach dieser ökologischen Perspektive ausgerichtet. Als ich zurückkam, wurde ich dafür zerrissen – man sagte, das ginge überhaupt nicht, auf keinen Fall. Aber ich blieb an dem Thema dran. Es hat mich interessiert, und es war der Ursprung meiner späteren Hinwendung zu den Grünen. Diese ökologische Frage wurde für mich in dieser Zeit wirklich zentral. Schon zehn Jahre, bevor ich aus dem Laden rausging, war sie für mich wichtig und hat mich immer stärker bewegt. Ich habe dann noch in der DKP durchgesetzt, dass wir eine Position gegen Atomkraftwerke vertreten – auch im Sozialismus. Das war nicht einfach, aber ich habe das auf einem Parteitag durchgesetzt. Das war ein wesentliches Motiv der Trennung, muss man sagen.

Damals hatte ich auch Kontakte zu einigen linken Grünen. Ich wohnte zwar im Ruhrgebiet, in Dortmund und Bochum, aber ich kannte einige ganz linke Grüne – Ebermann, Trampert, das waren damals die Figuren, die bei den linken Grünen im Bundesvorstand oder als Bundessprecher aktiv waren. Ich habe dann zunächst in Bochum auf Ortsebene die Kontakte intensiviert und später, als mein Weg weiterging, endgültig den Schritt gemacht. 1990 bin ich bei den Grünen eingetreten, im Februar.“

… die politische Entscheidung gegen die OS Düsseldorf-Rhein-Ruhr

„Es lag an einer schlichten Verabredung von Gerhard Schröder. Um dem Osten etwas zu geben, wurde Leipzig auserkoren, und der deutsche Sport wurde dazu überredet – unter sehr aktivem Engagement von Otto Schily, der damals als Innenminister für den Sport zuständig war. Das war schlicht die Wahrheit. Das haben wir erst sehr spät sozusagen herausbekommen. Wir konnten uns das nicht vorstellen, weil Leipzig, wie das IOC später auch bestätigt hat, gar nicht die fachlichen Voraussetzungen erfüllt hat. Schon allein die Kapazitäten bei den Hotelbetten, die man für Olympische Spiele braucht, und viele andere einfache, schlichte Voraussetzungen fehlten. Es war eine reine politische Entscheidung. Ob wir uns gegen Hamburg durchgesetzt hätten, weiß ich nicht. Hamburg hatte eine sehr gute, wirklich attraktive Bewerbung, aber das hätte das Bild völlig neu aufgemischt. Das war der einfache Grund. An unserem Auftreten, an dem, was wir hier gemacht haben, hat es garantiert nicht gelegen. Gerhard Schröder ist knallhart – da war nichts zu machen. Wir haben es am Ende noch versucht, auch Clement hat sich bemüht, aber das wurde ja nicht offen kommuniziert. Wir haben erst hinterher genauer erfahren, wie die Wege tatsächlich liefen.

Die Debatte um einen Bannerträger der Bewerbung war es weniger. Das hatten wir eigentlich geklärt. Aber es gab im Zusammenhang damit ein anderes Problem. Unsere Bewerbung war räumlich sehr weit gespannt, um alle mitzunehmen – von Bonn bis Dortmund. In der letzten Phase haben wir dann auch nach außen signalisiert, dass wir bereit waren, zu verdichten und viele Städte wegzunehmen. Mit dem Ziel, ein echtes olympisches Zentrum zu schaffen. Das haben wir klar gemacht. Aber natürlich war das auch ein Problem für Sportverbände, die dachten: Mit so einer weiten Bewerbung wird das nichts. Das ist im Übrigen – wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf – auch das Problem der jetzigen Bewerbung. Solche Fehler darf man nicht machen. Man muss eindampfen. Düsseldorf und Köln kann man gut zusammen machen, Aachen fürs Reiten, Hockey in Mönchengladbach, Duisburg für bestimmte Sportarten, Dortmund fürs Fußballspielen. Auf Schalke kann man auch Fußball spielen. Aber dann ist Schluss. Man muss die Sportarten und das Zentrum sehr eng gestalten.“

… die Sportförderung in NRW

„Gut, wir hätten immer gerne mehr Geld gehabt, aber das ist ja immer so. Wir haben Gott sei Dank sehr viel Geld in die Hand nehmen können, was die Spitzensportförderung und die Sportstätten anbetrifft. In diesem Bereich, glaube ich, ist in Nordrhein-Westfalen in den Jahren auch sehr, sehr viel passiert. Also, ich sehe das ja heute noch, was an Sportstätten entstanden ist – ob in Duisburg bei der Regattastrecke, die das Bundesleistungszentrum betrifft, oder, wie ich vorhin erwähnt habe, das Ruderzentrum in Dortmund oder das Fechtzentrum in Dormagen. Das wurde ja alles in dieser Zeit gemacht. Hockey habe ich auch schon erwähnt, wo wir sehr zentrale Maßnahmen umgesetzt haben. Da ist sehr viel passiert, verbunden mit einem zentralen Projekt in der Zeit, in der ich Abteilungsleiter sein durfte: Nämlich mit der Entwicklung der NRW-Sportschulen. Wir haben diese Konzeption entwickelt, beziehungsweise weiterentwickelt. Es gab ja schon vorher ein System ‚Schule und Leistungssport‘, und wir haben dann die NRW-Sportschulen geschaffen. Diese sollten eine andere Qualität von Training, Wettbewerbsteilnahme und schulischer Entwicklung bringen – und ich nehme auch an, dass sie das gebracht haben. Sie waren verbunden mit dem Ausbau der Sportstätten an den Schulen. Wir haben an verschiedensten Schulen dieser Art richtig viel investiert, bis hin zu Projekten, die ich zu meiner Freude noch später gesehen habe: Etwa die Dreifachhalle in Bochum-Wattenscheid, direkt neben der Wohnung, in der ich gewohnt habe – zufällig für die NRW-Sportschule dort in Bochum. Oder die Halle in Minden für den Handball. Also, wir haben das überall aufgebaut, und das war, glaube ich, ziemlich zentral. Noch ein Wort zu Handball, weil mir das am Herzen liegt: Die Sporthallen in Gummersbach und die in Lemgo wurden auch erbaut. Das waren Großprojekte für den Zuschauersport, die wir realisieren konnten. Ja, also für den Spitzensport haben wir, glaube ich, ziemlich viel gemacht.

Wir hatten zudem diesen Wettbewerb und haben uns dann noch stärker auf den Schulsport konzentriert, solange das in unserer Zuständigkeit lag. Später ging das ja wieder zurück ins Schulministerium. Aber das ist die Grundlage dafür, überhaupt lebenslang Sport zu treiben. In der Schule wird das Wesentliche entwickelt und gefördert. Und für den Breitensport ist natürlich die Bereitstellung von Sportstätten in der Fläche entscheidend. Da hat uns oft das Geld gefehlt. Wir hatten eine Sportpauschale, die dafür verwendet werden konnte. Die spätere Regierung – das war nach meiner Zeit – hat dann ein 300-Millionen-Kreditprogramm aufgelegt. Da können sie sehr stolz drauf sein, weil man damit viel mehr fördern konnte.

Aber nach wie vor ist das, wie ich mitbekomme, in einigen Städten ein Problem: Man braucht mehr Sportstätten, die heutigen Bedürfnissen entsprechen. Ansonsten gehört zur Sportförderung natürlich die Vereinsförderung und die Übungsleiterpauschale. Die haben wir immer wieder erhöht, aber es gab auch Jahre, in denen wir drastisch reduzieren mussten, weil es Sparvorgaben gab. Das war ziemlich am Anfang, und das war richtig bitter. Wir konnten das dann langsam wieder wachsen lassen, aber das war hart.
Und was die Städte betrifft: Im Ruhrgebiet gab es allerdings kein großes Problem beim Fußball – das ist ja nach wie vor der Sport, der am meisten breitensportlich betrieben wird. Da bin ich überzeugt, dass das Ruhrgebiet sogar Spitzenwerte erreicht. Wir haben eher ein Problem bei anderen Sportarten, den sogenannten Randsportarten. Das macht sich inzwischen leider auch in der Leichtathletik bemerkbar.“

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